Ist Gott konkret und beschreibbar oder ist Gott abstrakt und jenseits dessen was wir mit unserem Verstand erfassen können? Die Gite sagt: sowohl als auch! Und welches Gottesbild ist einfacher bzw. führt uns direkter zu einer mystischen Erfahrung dessen? Die Bhagavad Gita befasst sich mit vielen tiefschürfenden philosophischen Problemen, bricht diese aber immer herunter auf den Alltag, sodass wir damit etwas anfangen können. Das 12. Kapitel der Bhagavad Gita beginnt mit der uralten Frage über die Eigenschaften bzw. nicht-Eigenschaften Gottes. Im Kommentar gehe ich der Sache etwas auf den Grund: Ist Gott jetzt konkret oder abstrakt?
Gott ist sowohl als auch
Kommentar zu den Versen 1-7 des 12. Kapitels der Bhagavad Gita
Verse 1-7 des 12. Kapitels der Bhagavad Gita
- Bhagavad Gita 12. Kapitel 1. Vers
अर्जुन उवाच |
एवं सततयुक्ता ये भक्तास्त्वां पर्युपासते |
ये चाप्यक्षरमव्यक्तं तेषां के योगवित्तमाः || १२ १ ||
arjuna uvāca
evaṃ satatayuktā ye
bhaktāstvāṃ paryupāsate
ye cāpyakṣaramavyaktaṃ
teṣāṃ ke yogavittamāḥ
“Arjuna sprach: Die Gläubigen, die stets standhaft Dich so verehren, oder auch die, die das Unvergängliche und Nichtmaifeste verehren – wer ist erfahrener im Yoga?” - Bhagavad Gita 12. Kapitel 2. Vers
श्रीभगवानुवाच |
मय्यावेश्य मनो ये मां नित्ययुक्ता उपासते |
श्रद्धया परयोपेताः ते मे युक्ततमा मताः || १२ २ ||
śrībhagavānuvāca
mayyāveśya mano ye māṃ
nityayuktā upāsate
śraddhayā parayopetāḥ
te me yuktatamā matāḥ
“Diejenigen, die ihren Geist auf Mich richten und Mich verehren, die immer standhaft sind und höchsten Glauben haben, halte Ich für die Besten im Yoga.” - Bhagavad Gita 12. Kapitel 3. Vers
ये त्वक्षरमनिर्देश्यं अव्यक्तं पर्युपासते |
सर्वत्रगमचिन्त्यं च कूटस्थं अचलंध्रुवम् || १२ ३ ||
ye tvakṣaramanirdeśyaṃ
avyaktaṃ paryupāsate
sarvatragama cintyaṁ ca
kūṭasthaṃ acalaṃdhruvam
“Menschen, die das Unveränderliche, Unerklärbare, Nichtmanifeste, Allgegenwärtige, Undenkbare, Unbewegte und Ewige verehren,…” - Bhagavad Gita 12. Kapitel 4. Vers
संनियम्येन्द्रियग्रामं सर्वत्र समबुद्धयाः |
ते प्राप्नुवन्ति मामेव सर्वभूतहिते रताः || १२ ४ ||
saṃniyamyendriyagrāmaṃ
sarvatra samabuddhayāḥ
te prāpnuvanti māmeva
sarvabhūtahite ratāḥ
“Nachdem sie alle Sinne bezähmt haben, in jeder Situation gelassen und auf das Wohl aller Wesen bedacht sind – kommen sie wahrlich ebenfalls zu mir.” - Bhagavad Gita 12. Kapitel 5. Vers
क्लेशोऽधिकतरस्तेषां अव्यक्तासक्तचेतसाम् ||
अव्यक्ता हि गतिर्दुःखं देहवद्भिरवाप्यते || १२ ५ ||
kleśo ’dhikatarasteṣāṃ
avyaktāsaktacetasām
avyaktā hi gatir duḥkhaṃ
dehavadbhir avāpyate
“Schwieriger ist es für Menschen, deren Geist auf das Nichtmanifeste gerichtet ist; denn das Ziel, das Nichtmanifeste, ist für den Verkörperten sehr schwer zu erreichen.” - Bhagavad Gita 12. Kapitel 6. Vers
ये तु सर्वाणि कर्माणि मयि संन्यस्य मत्परः |
अनन्येनैव योगेन मां ध्यायन्त उपासते || १२ ६ ||
ye tu sarvāṇi karmāṇi
mayi saṃnyasya matparaḥ
ananyenaiva yogena
māṃ dhyāyanta upāsate
“Aber den Menschen, die Mich verehren und allen Handlungen in Mir entsagen, die Mich als höchstes Ziel betrachten und mit aufrichtigem Yoga über Mich meditieren,…” - Bhagavad Gita 12. Kapitel 7. Vers
तेषामहं समुद्धर्ता मृत्युसंसारसागरात् |
भवामि न चिरात्पार्थ मय्यावेशितचेतसाम् || १२ ७ ||
teṣāmahaṃ samuddhartā
mṛtyusaṃsārasāgarāt
bhavāmi na cirātpārtha
mayyāveśitacetasām
“Für Menschen, die ihren Geist auf Mich heften, werde Ich schon bald zum Retter aus dem Ozean von Samsara.”
Gott ist sowohl Einheit als auch Vielfalt – er manifestiert sich in vielerlei Hinsicht, vom Tiefsten bis zum Unermesslichsten. Der Glaube an Gott hebt uns über das Endliche hinaus und gibt uns Hoffnung auf Freude und Erfüllung jenseits des materiellen Reichtums. Seine unendliche Liebe kann uns lehren, wahre Intimität mit Menschen und der Natur zu erfahren. Gott hat viele Gesichter und einige, die keine Grenzen kennen. Er ist sowohl abstrakt als auch konkret – er existiert gleichermaßen im Großen wie im Kleinen, in der Musik und jedem Moment des Glücks. Auf der einen Seite bedeutet es, dass Gott in unseren Herzen existent ist und uns helfen kann, unser Potenzial zu entfalten. Auf der anderen Seite heißt es aber auch, dass Gott räumlich begrenzt sein kann: In Kirchen oder Moscheen versammeln sich Menschen aller Religionen, um den Ewigen anzubeten und die Kraft in seiner Anwesenheit zu spüren.