Patanjali Yoga Sutra 2.10
te pratiprasava-heyāḥ sūkṣmāḥ
prati = dagegen, ähnlich, vergleichbar
prasava = Ursprung, Ursache, Keim, Erwerb, Geburt
heya = zu Vermeidendes, zu Überwindendes, zerstören
sūkṣmāḥ = subtil, fein, unfassbar
“Den subtilen Ursachen des Leidens soll an ihrer Wurzel entgegengewirkt werden.”oder“Werden die Leidensursachen beim aufkeimen gemieden, so bleibt ihr subtiler Einfluß gering.”
Patanjali Yoga Sutra 2.11
dhyāna heyāḥ tad-vṛttayaḥ
heyāḥ = zu Vermeidendes, zu Überwindendes, zerstören
tat = deren, dessen, diese
vṛttayaḥ = Wellen, Gedankenwellen, Trübungen des Geistfeldes
“Die aktiven Formen der Leiden können durch Meditation überwunden werden.”oder“Durch Meditation werden die leidvollen Gedankenwellen vermieden.”
Wenn die Leiden offenkundig, aktiv, laut und quälend werden, können sie durch Meditation zurückgedrängt werden. Bzw. wenn wir leidvolle Gedankenwellen wahrnehmen, wissen wir dass sie letztlich den Kleshas entspringen und sie können durch einen meditativen Geist aufgelöst werden. Vivekananda sagt:
“Meditation ist eines der großen Mittel, diese Wellen am Entstehen zu hindern.”
Also können wir (wie im letzten Vers beschrieben) die auftretenden Wirkungen (die Gedankenwellen) nach und nach zur Quelle (Kleshas) zurückführen (Involution) und sie dann durch Meditation immer subtiler werden lassen, bis sie sich von selbst ganz auflösen. Tatsächlich ist es meine Erfahrung und Überzeugung, dass wir alle Schwierigkeiten im geistigen Bereich letztlich durch diesen Prozess bewältigen können. Durch die Kraft der Unterscheidung stellen wir fest, dass ein Problem vor allem im Kopf stattgefunden hat, und im rechten Lichte betrachtet keinerlei Gewicht mehr hat. So wie es auch im Uralten Vedanta-Gleichnis vom Seil und der Schlange beschrieben wird, sobald sich die Täuschung auflöst, verschwindet auch das Problem. Durch die Übung der Meditation lernen wir nach und nach ein Problem zu betrachten, ohne uns weiter zu identifizieren. Wobei allerdings das Patanjali Yoga Sutra mit Dhyana wohl den Zustand von Meditation meint, das ist eine wichtige Unterscheidung. Der Zustand der Meditation wird von Patanjali beschrieben als “Ein ungebrochener Fluß der Wahrnehmung zwischen dem Geist und den Objekten”. Durch diesen tiefen Zustand können wir alle Kleshas auflösen und zur reinen Erkenntnis des Einen kommen. Dann sehen wir, dass letztlich alles eins ist und die Vorstellung ein getrenntes unvollkommenes Individuum zu sein nur eine Illusion gewesen ist. Die Kleshas lösen sich nach und nach auf und zuletzt überwinden wir Avidya.
Soweit mein Kommentar zu den Versen 10 und 11 des Sadhana Pada des Patanjali Yoga Sutra.