In diesem Teil des Yoga Sutra erläutert Patanjali kurz und knapp die beiden grundlegenden Arten von Samadhi, also der beiden Ebenen des Überbewusstseins.
Bei Saṁprajñāta sind noch Verbindungen mit Objekten vorhanden, bei asaṁprajñāta nicht. Je tiefer man in das Mysterium der Meditation eintaucht, desto wichtiger wird es zu verstehen welche Erfahrungen man dort macht um zu wissen wie man weiter machen kann um zum Ziel des Yoga zu kommen.
Vers 1.17 Yoga Sutra, Arten von Samadhi
I.17. वितर्कविचारानन्दास्मितारुपानुगमात्संप्रज्ञातः
vitarka-vicāra-ānanda-asmitā-rupa-anugamāt-saṁprajñātaḥ
vitarka = Urteilen, Argumentieren, Ahnung, Meinung oberflächliches Wissen
vichâra = Erfahrung, Nachdenken; tiefes Wissen
ânanda = endloses Glück, Freude,
asmitâ = Ich–Sein; Gefühl der Individualität, Gefühl reinen Seins
rupa = Form, Natur
asmitâ-rupa = Einheitswahrnehmung mit der Form
anugamât = in Verbindung, aus diesen Schritten
samprajñâ = Samâdhi mit Prajñâ = Bewußtsein. vollkommenes Wissen, vollkommene Erkenntnis
“Samadhi mit Bewußtsein wird von Ahnen, Nachdenken, Freude und dem Bewußtsein der Individualität begleitet.”
oder
“Diese vollkommene aber bedingte Erkenntnis entsteht schrittweise aus Ahnung, Wissen, Freude und verschmelzen.”
Der erste Pada, das erste Kapitel des Patanjali Yoga Sutra heißt Samadhi-Pada, hier beschreibt Patanjali nun die zwei wichtigsten Arten von Samadhi, die überbewussten Zustände. Samprajnata-Samadhi ist Überbewusstsein mit Erkenntnis, und wird von vier Tätigkeiten begleitet. Es wird bereits das Überbewusste erfahren, jedoch sind noch nicht alle Aktivitäten in der Prakriti, der relativen Ebene gelöst. Den Zustand des Überbewusstseins zu Efahren bedeutet noch nicht, dass man es “geschafft” hat. Es ist zwar sicherlich das schwerste Stück des spirituellen Weges geschafft, jedoch gilt es noch weitere Schritte zu gehen bis zur Verwirklichung. Das Überbewusstsein wird noch mit Hilfsmitteln erreicht und es besteht noch die Möglichkeit der Identifikation damit. Die vier Hilfsmittel sind eine Stütze, ein Krückstock, den es dann noch loszulassen gilt wenn das Überbewusstsein erreicht ist. In verschiedenen Yogaschriften wird der überbewusste Zustand sehr genau differenziert, so kann der Übende relativ genau feststellen welche Erfahrung er gerade durchmacht. Vorrausgesetzt er ist keiner Täuschung durch sein Ego unterlegen, was zumeist vom Übenden unerkannt bleibt.
Vers 1.18, Patanjali Yoga Sutra
I.18. विरामप्रत्ययाभ्यासपूर्वः संस्कारशेषोऽन्यः
virāma-pratyaya-abhyāsa-pūrvaḥ saṁskāra-śeṣo-‘nyaḥ
virâma = aufhören, fallen lassen, ruhen
pratyaya = Inhalt des Geistes, Erkenntnis, Eindruck (der „Keim“ von Samprajñâta Samâdhi)
abhyâsa = Übung
pûrvah = vorausgegangen
samskâra = Eindrücke
sheshah = geblieben
anyah = das andere
“Wenn jegliche Wahrnehmung erlischt und nur unmanifeste Prägungen verbleiben, entsteht der andere Zustand der Erkenntnis. Dieser basiert auf beharrlicher Praxis.”
oder
“Asamprajnata Samadhi ist erreicht, wenn alle geistigen Aktivitäten aufhören und nur unmanifes-tierte Eindrücke im Geist verbleiben.”
Hier ist also nicht nur das Überbewusste erreicht, sondern die Selbstverwirklichung. Der Übende ist fähig geworden den in Vers 2 beschriebenen Zustand des Yoga ganz zu erfahren. Die Bewegungen des Geistes sind gänzlich zu Ruhe gekommen, er ist ganz mit der Erfahrung des Göttlichen bzw. des Selbst verschmolzen. Die Eindrücke die man in diesem Zustand hat sind vollkommen unmanifest. Also kann man sie leider nicht mehr in Worte fassen. Auch wenn unser Geist gerne verstehen möchte wie dieser Zustand der “Erleuchtung” erfahren wird, können wir das Formlose leider nicht beschreiben. So wie ein Fisch nicht weiß was oberhalb der Wasseroberfläche ist und so wie man den Geschmack eines Apfels nicht beschreiben kann, ist dieser Zustand eben leider jenseits dessen was ich hier niederschreiben kann. Menschen die diesen Zustand erfahren geben die Erkenntnisse auf individuelle Weise weiter. Je nach Kultur, Zeitalter, Region und Charakter nutzen sie dafür unterschiedliche Worte. Wenn ein Aboriginee, ein Indianer, ein arabischer Wüstenvater oder ein Himalaya-Höhlenyogi diesen Zustand erreicht, werden sie (wenn überhaupt) dafür ganz unterschiedliche Worte benutzen. Dies führt bei Menschen ohne adäquate spirituelle Führung immer wieder zu Verwirrung, und leider wie wir wissen zu Zwietracht, Krieg und unermesslichem Leid. So gilt es grundsätzlich Worte nicht als Wahrheit anzusehen, sondern immer den Kontext zu beachten und abzugleichen mit anderen Aussagen. Grundsätzlich sind solche Zustände, also auch diese beiden Arten von Samadhi, und da ist Patanjali ganz klar, nur durch beharrliche Praxis erreichbar. Auch Meister wie Ramana Maharshi und Ananadamayi Ma haben Phasen intensiver Praxis gehabt. Obwohl sie quasi von selbst Samadhi erreicht haben, mussten sie noch daran arbeiten sich ganz zu lösen um ganz im höchsten Bewusstsein aufzugehen.
Soweit mein Kommentar zu den Versen 17 & 18 des Samadhi-Pada des Patanjali Yoga Sutra.