Statistisch betrachtet ist im Durchschnitt die Hälfte aller Kommunikation das Zuhören. In der Regel wird beim Thema Kommnuikation immer von den anderen 50% gesprochen, ich denke das Empfangen ist fast noch wichtiger als das Senden.
Wir können durch authentisches Zuhören dem Gegenüber sehr viel helfen, und zwar in dem wir offen sind, und daran arbeiten ohne Erwartungen, Vorurteile und Projektionen zu empfangen.
In dem kurzen Vortrag aus einem Satsang möchte ich dazu einige Impulse geben, ich denke Kommunikation ist nach der Meditation das wichtigste Sadhana.
Über das Zuhören & Kommunikation
🙂
Transkription: Kommunikation & Zuhören
Wenn wir darüber sprechen, wie wir das Yoga in den Alltag bringen, dann ist eine Sache besonders wichtig. Das ist die Kommunikation.
Kommunikation ist wie wir nach außen treten. Und ich denke, Kommunikation können wir auch als eine der wichtigsten Sadhanas, der wichtigsten spirituellen Übungen, betrachten: dass wir authentisch kommunizieren und dass wir die Kommunikation immer achtsam angehen.
Mit unserem ganzen Bewusstsein zuhören
Meistens, wenn über Kommunikation gesprochen wird, wird darüber gesprochen, wie wir nach außen gehen. Im Durchschnitt sind aber exakt 50 Prozent der Kommunikation das passive Zuhören. Ich glaube, es ist fast noch wichtiger wie wir zuhören als wie wir sprechen.
Im Allgemeinen ist es doch so, dass wir, während der andere spricht, schon überlegen, wie wir antworten können, was daran nicht richtig ist oder was wir Witziges oder Tiefsinniges darauf erwidern können. Und wir hören dabei gar nicht richtig zu.
Wir sind eigentlich gar nicht dabei, was der andere uns mitteilt. Ich glaube, es ist sehr wichtig, das wieder zu lernen und sich bewusst zu machen, dass das richtige Zuhören mindestens 50 Prozent einer gelungenen Kommunikation ausmacht.
Zuhören heißt, dass wir dem anderen bis zum Ende von dem, was er sagt, zuhören. Dass wir nicht nur hören, was der andere sagt, sondern auch fühlen und versuchen, mit unserem ganzen Bewusstsein dabei zu sein und mit allen Sinnen zu erfassen, was denn der andere gerade mitteilen will.
Jeder Kommunikationsakt hat verschiedene Ebenen
Denn bei jeder Kommunikation, bei jeder Botschaft gibt es verschiedene Ebenen, auf denen etwas mitgeteilt wird. Es gibt die Sachebene, auf der die Information rüberkommt. Nach dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun gibt es auch eine Beziehungsebene, die in jeder Kommunikation immer mitspielt. Und es gibt einen Appell und eine Selbstoffenbarung.
Ein typisches Beispiel: Ein Paar sitzt im Auto und wartet an der roten Ampel. Dann sagt der Beifahrer „Die Ampel ist grün.“ Auf der Sachebene ist das einfach nur die Information, dass die Ampel umgeschaltet hat, dass der andere das vielleicht verpasst hat und dass man losfahren kann.
Auf der Beziehungsebene kann da ganz viel dahinterstecken, wenn man sagt „Die Ampel ist grün…“. Es bedeutet vielleicht: Immer guckst du nicht auf die Ampel und ich muss dich erinnern, dich an die Verkehrsregeln zu halten. Oder es kann ein Appell sein: Achte doch mal bitte auf den Straßenverkehr!
So sind bei jedem Akt der Kommunikation verschiedene Ebenen mit dabei. Und richtiges Zuhören heißt, eben nicht nur die Sachinformation, nicht nur die Beziehungsinformation bzw. -ebene, nicht nur den Appell oder die Selbstoffenbarung mitzubekommen, sondern möglichst alles, was in dem Kommunikationsakt steckt.
Das funktioniert nur, wenn wir ganz aufmerksam, ganz achtsam sind und versuchen, das Gesagte mit allen Sinnen zu erfassen. Da beginnt authentische Kommunikation: dass wir bis zum Ende zuhören, vielleicht das Gesagte noch sacken lassen und dann eine Antwort aus dem ganzen Gehörten bringen (und nicht eine Antwort, die wir uns eine Minute vor Ende des Monologs des anderen schon überlegt haben).
Häufig sieht Kommunikation auch so aus, dass einer den anderen vollquatscht. Da hört es dann nach 2-3 Minuten auch irgendwie auf, dass es ein authentischer Dialog wird. Denn da kommen so viele Informationen rüber, dass man gar nicht auf alles antworten kann.
Kommunikation & Zuhören: ein Experiment
Was beim Zuhören noch eine Rolle spielt, ist, dass immer Gefühle, Erwartungen und Schubladendenken in die Kommunikation mit reinspielen. Ihr kennt sicherlich das Prinzip von Familienstellen oder von systemischen Aufstellungen. Beim Familienstellen ist es so, dass man andere Personen im Raum aufstellt, die dann bestimmte Personen oder Eigenschaften verkörpern. Und in den anderen Personen erwachen dann Gefühle.
Genau so projiziert jeder (unbewusste) Mensch immer bestimmte Erwartungen, Gefühle und vorgefertigte Meinungen nach außen und in den anderen hinein ‒ und begrenzt dadurch den anderen.
Ich habe mal ein Experiment gelesen, das ich sehr interessant finde und das ich gerne mal durchführen möchte (Ihr könnt das mal ausprobieren mit jemandem, der euch sehr vertraut ist.): Es braucht dafür zwei Personen. Der eine macht sich eine Liste mit 5 bekannten Persönlichkeiten, z.B. Angela Merkel, Jesus Christus und noch drei weitere. Dann stellt er sich vor, der andere ist jetzt Angela Merkel.
Der andere weiß nichts davon. Er weiß nur, er soll in sich reinspüren, beobachten, was für Gefühle auftauchen und versuchen, diese zu benennen. Nach ein paar Minuten, wenn das Wahrgenommene immer klarer wird und die beschriebenen Gefühle sich verdichten, kann man zur nächsten Persönlichkeit wechseln, in diesem Beispiel Jesus Christus.
Dann versuche ich zu sehen, dass Jesus Christus im anderen steckt. Und wir schauen mal, was für Gefühle dann auftauchen. Das ist ganz verblüffend, was dann sozusagen aus dem Nichts, aus der reinen Vorstellung des einen, beim anderen auftaucht.
Das ist Telepathie, was da passiert. Telepathie hat nichts mit Gedankenlesen zu tun, sondern das Wort -pathie steckt auch in Empathie, und das sind Gefühle, die man wahrnimmt.
Unsere Mitmenschen durch Kommunikation und Zuhören erheben
Wenn dieses Prinzip so funktioniert, dass wir auf der unbewussten Ebene den anderen mit unseren Gefühlen begrenzen ‒ oder mit unseren Erwartungen und unseren vorgefertigten Meinungen ‒, dann funktioniert es auch andersherum: Wir können den anderen in der Kommunikation, im Zuhören erheben, indem wir eben keine Erwartungen, vorgefertigten Meinungen und Konzepte haben (und z.B. denken „Ohh, der andere ist immer so-und-so…“, „Der vergisst immer das-und-das“…).
Indem wir den anderen versuchen zu erheben, durch die Weise wie wir ihn betrachten, dadurch helfen wir all unseren Mitmenschen. Zum Beispiel der anstrengenden, penetranten Kollegin, die uns jeden Tag im Büro nervt. Wir erwarten das schon. Wir gehen ins Büro und wenn sie reinkommt, drehen wir schon die Augen nach oben und denken „Ohh, jetzt kommt die wieder…“.
Das Beschriebene kann man an so einem Beispiel schön ausprobieren: Wenn wir diese Person mal ganz anders zu betrachten versuchen und mal ganz anders über sie denken. Auch wenn wir wissen, sie ist nervig und penetrant, können wir trotzdem mal versuchen, sie ganz anders zu sehen ‒ und dann kommt etwas in Bewegung.
Dann geben wir ihr die Chance, sich auch mal von einer anderen Seite zu zeigen. Sie kann so aus ihrer Rolle, die von außen auf sie projiziert wird, aussteigen und ganz anders auftreten.
Vom passiven zum aktiven Zuhörer ‒ eine spirituelle Praxis
Statt nur dazusitzen und zuzuhören können wir das Zuhörer-Sein aktiv nutzen, um anderen auch zu helfen, um Gutes zu tun.
Wir können anderen so die Möglichkeit geben, über sich hinauszuwachsen ‒ nur dadurch, was wir für Vorstellungen, für Erwartungen, für Gefühle nach außen projizieren. Indem wir die nervige Kollegin eben nicht immer als solche betrachten, sondern versuchen zu sehen, dass sie z.B. auch ein göttliches Wesen ist. Sie ist genau wie ich eine Manifestation des Göttlichen und sie hat ganz besondere Qualitäten.
Das ist mit der Aussage gemeint, dass man üben sollte, in allem und in jedem das Göttliche zu sehen. Das hilft den anderen tatsächlich. Das hilft nicht nur mir in meiner spirituellen Entwicklung, sondern ich helfe dadurch ganz konkret den anderen.
Wenn ich ein ganz anderes Energiefeld in der Kommunikation aufbaue, kann ein ganz anderer Austausch entstehen, kann ein ganz anderes Feld entstehen, in dem ganz andere Möglichkeiten kreiert werden ‒ nur dadurch wie ich dem anderen zuhöre.
So können wir diese 50 Prozent, die wir sonst kaum beachten, wenn wir über Kommunikation sprechen, ganz bewusst einsetzen, um spirituelles Potential zu erwecken, um anderen tatsächlich zu helfen ‒ nur dadurch, dass wir authentisch zuhören.