Immer wieder taucht die Frage auf, ob und in wie weit Yoga und Jesus miteinander zu vereinbaren ist. Daher befasse ich mich immer wieder mit dem Thema und bereite es hier nochmals als kurzen Audiobeitrag auf.
Yoga und Jesus – passt das zusammen?
Grundsätzlich ist die Antwort abhängig von der Art und Weise wie man Jesus und seine Lehren verstehen mag. Wenn man sich eng an der gängigen Lehrmeinung orientiert und vor sich an den Worten fest klammert, dann passt es nicht zusammen. Wenn man jedoch in die mystische Bedeutung der Lehren Jesu ergründet, kann man feststellen, dass Yoga und Jesus gut zusammenpasst.
- Beide wollen die bedingungslose Liebe in uns erwecken.
- Sie haben beide das Ziel ein Leben in Gott zu verwirklichen.
- Beide führen in die Demut.
Wenn wir an der Oberfläche bleiben wollen und nur an die Worte glauben, dann lässt sich Yoga und Jesus nicht vereinbaren. Wenn wir in die Tiefe gehen wollen und den Weg zu Gott als universelles Prinzip begreifen, dann sollten wir uns für alle Wege öffnen und die Gemeinsamkeiten untersuchen.
Yoga und Jesus, einiges über meinen Weg
Ich selbst habe mich vom Christentum abgewendet als ich selbst anfing zu Denken und die Religionsmündigkeit erreichte. Mir haben die Erklärungen einfach nicht ausgereicht um ernsthaft zu glauben. Weshalb soll Jesus vor 2000 Jahren für mich am Kreuz gestorben sein? Weshalb soll er ausgerechnet mir helfen wenn ich zu ihm bete, wo es doch andere viel nötiger hätten? Wozu gibt es seltsame morbide Rituale um die Nächstenliebe zu ehren? Warum stehen lauter so komische Sachen in der Bibel? Kurzum, ich habe mich abgewendet und wurde Atheist. Einige Jahre später bin ich dann auf die östlichen Lehren gekommen die mir wesentlich mehr zusagten: sie sind bodenständig, plausibel und zielführend. Nach vielen Jahren die ich mich mit den östlichen Lehren befasst habe, bekam ich dann einen ganz anderen Blick auf das Christentum und Jesus.
Jesus und Yoga – ein paar Gedanken dazu
Transkription: Yoga und Jesus ‒ Gedanken über Gemeinsamkeiten und Widersprüche
Eine Frage, die sich im Yoga immer wieder stellt, die zumindest ich immer wieder gestellt bekomme, ist, inwieweit das Yoga eigentlich zu vereinbaren ist mit dem Christentum. bzw. mit dem christlichen Glauben. Da muss ich sagen, das ist tatsächlich eine Frage des Standpunktes.
Yoga und Jesus: Strenggenommen lassen sich Yoga und Jesus nicht vereinbaren
Bei jemandem, der sehr stark an den Aussagen der christlichen Kirchen festhängt und eher den christlichen Glauben als Dogma betrachtet bzw. als etwas, woran man glauben muss, um das Seelenheil zu kriegen und sich möglichst abgrenzen muss von anderen, bei dem muss ich sagen: Nein, das lässt sich nicht wirklich vereinbaren. Man kann auch sagen, streng theologisch lässt sich Yoga und Jesusauch nicht wirklich vereinbaren. Das fängt ja schon an mit den 10 Geboten von Mose (Ihr erinnert euch an die Geschichte: Moses hat die 10 Gebote in Steintafeln geschlagen, kam dann vom Berg runter und hat gesehen, dass seine Leute alle Götzen anbeten ‒ und vor Schreck sind ihm die Steinplatten auf den Boden gefallen.)
Strenggenommen sind das Götzen, die wir hier auf dem Altar stehen haben. Das sind bildliche Darstellungen des Göttlichen, und das ist in den abrahamitischen Religionen natürlich ein absolutes No-Go. Das ist eines der 10 Gebote: Du sollst dir kein Bild von Gott machen. Wenn wir es also ganz streng nehmen, dann können wir sagen, Yoga und Christentum lassen sich überhaupt nicht vereinbaren. Und dann ist es natürlich so, dass in vielen Feinheiten, wenn wir das ganz eng betrachten, auch ganz klare Unterschiede da liegen.
Yoga und Jesus: Glaubenssätze überwinden und eigene Erfahrungen sammeln
Aber wir wollen ja aus dem Yoga-Blickwinkel nicht einfach irgendwas glauben, sondern Yoga ist ja ein spirituelles System, ein System, das – um das mit der christlichen Terminologie zu sagen ‒ auf Mystik ausgerichtet ist. Uns reicht es eben nicht aus, einfach irgendwas zu glauben, was in irgendeinem Buch steht, sondern das Yoga zielt darauf hinaus, eigene Erfahrungen und eigene Erkenntnisse zu machen.
Da muss man über die Ebene der reinen Lehre und des reinen Glaubens hinausgehen, wo es einfach darum geht, irgendwelche „Wahrheiten“ für sich anzunehmen. Man muss, um zu eigenen Erfahrungen und zu eigenen tiefen Erkenntnissen zu kommen, Konzepte loslassen. Man muss bereit sein, Glaubenssätze und festgelegte Wahrheiten zu transzendieren, darüber hinauszugehen. Das Yoga ist eben spirituell ausgerichtet und das ist etwas ganz anderes als eine institutionalisierte Religion. Institutionalisierte Religion möchte ‒ und das ist bei allen so ‒ eine bestimmte Wahrheit vorgeben ‒ die Wahrheit, die sie dann mit den Schriften genau belegt ‒ und an diese Wahrheit muss man glauben.
Da gibt es im Christentum z.B. das Glaubensbekenntnis. Daran glaubt man, und das hilft natürlich auch. Ich glaube selber an Jesus Christus und ich glaube daran, dass er auf die Welt gekommen ist, um uns einen Weg aufzuzeigen. Und der Weg, den er aufgezeigt hat, ist ein wunderbarer Weg. Es ist der Weg der Vergebung, der Liebe, der Nächstenliebe, der Liebe zu Gott. Aber ich glaube, dass aus dem, was Jesus Christus für uns hinterlassen hat, etwas geschaffen wurde, was letztlich für die spirituelle Befreiung kontraproduktiv ist. Denn das reine Akzeptieren von Glaubenssätzen bringt uns nicht in die spirituelle Freiheit. Wir müssen diese Glaubenssätze überwinden, wir müssen darüber hinausgehen und wie gesagt zu eigenen Erkenntnissen und Erfahrungen kommen.
Yoga und Jesus: Es gibt nur einen Gott
Wir haben zwar hier verschiedene Formen des Göttlichen auf dem Altar stehen, aber das ist ja nicht Gott. Es steht ja nicht Gott hier vorne auf dem Altar, sondern es ist nur ein Symbol, ein Sinnbild oder ein Hilfsmittel, damit wir unser Herz für Gott öffnen.
Wir haben zwar hier verschiedene „Götter“ stehen ‒ da steht Saraswati, hier stehen Radha und Krishna, da steht Hanuman, da hinten steht Shiva. Das sind zwar verschiedene Formen Gottes, aber es ist ganz klar definiert: Es gibt nur einen Gott.
Das ist hier keine „Vielgötterei“, die wir betreiben. Das ist ja etwas, das von den monotheistischen Religionen oft den Indern vorgeworfen wird. Aber wenn man sich die Philosophie hinter dem Yoga ein bisschen genauer anguckt, dann sieht man: Es geht nicht darum, dass irgendwelche konkurrierenden Götter im Himmel sind, die um die Gunst ihrer Anhänger streiten, sondern es wird ganz klar gesagt, dass es nur einen Gott gibt.
Es gibt nur das eine göttliche Prinzip, welches das Universum durchdringt und umfasst und ihm zugrunde liegt. Und dieser eine Gott, dieses eine göttliche Prinzip, kann sich eben in ganz vielen, unendlich vielen, Namen, Formen und Eigenschaften offenbaren. Das ist eigentlich gar keine schlechte Idee von Gott gewesen, dem Moses zu sagen: Sag mal den Leuten, die sollen sich von mir kein Bild machen. Denn die Inder haben ja jetzt einmal angefangen, sich ein Bild von Gott zu machen, und da Gott eben unendlich ist, kommen sie da auch nie zu einem Ende.
Man kann sich unendlich viele Statuen und Bilder von Gott machen. Ihr seht das hier in dem Raum, hier sind ja mindestens 30 verschiedene Darstellungen, die alle auf dasselbe hindeuten. Diese verschiedenen Bildnisse stellen alle dasselbe dar, nämlich den einen Gott, der natürlich nicht verschieden ist von dem Gott Abrahams, Moses, Jesus und Mohameds.
Das ist natürlich ein und derselbe. Denn es kann ja nur einen geben. Wenn wir das aus einer spirituellen Sicht betrachten, dann ergänzen sich natürlich Yoga und Jesus auf wunderbare Weise.
Yoga und Jesus: Gott in mir selbst erfahren
Ich selbst bin beispielsweise katholisch aufgewachsen, ich war Messdiener als kleiner Junge. Als ich dann angefangen habe selber nachzudenken, habe ich gedacht: Was soll denn das? Wieso soll Jesus vor 2000 Jahren für mich am Kreuz gestorben sein? Und wieso soll er, wenn ich zu ihm bete, ausgerechnet zu mir kommen, obwohl da Millionen andere sind, die auch zu ihm beten?
Ich konnte da nichts mit anfangen. Damals habe ich gesagt, das ist nichts für mich, und habe mich völlig abgewendet von Religion. Ganz viele Jahre habe ich mich selber als Atheist bezeichnet. „Religion ist Opium fürs Volk“, das war meine Devise. Irgendwann, als ich etwa 19 war, bin ich auf ein Buch gestoßen, was mir dann die Augen dafür geöffnet hat, dass es eben nicht darum geht, einfach irgendetwas zu glauben und durch das Annehmen einer von außen oktroyierten Wahrheit Liebe zu empfinden oder den Segen von Jesus zu empfangen.
Sondern es geht darum, dass man sich selber über die Ebene des Persönlichen erhebt und in sich ‒ durch das Kultivieren von Stille, durch das Lernen von Beobachtung innerer Vorgänge ‒ zu einem neuen Bewusstsein kommt und dass Gott tatsächlich in mir erfahrbar ist. Dass Gott nicht eine äußere Bedrohung ist, vor der ich mich in Acht zu nehmen habe, sondern dass Gott etwas ist, was ich in mir selber entdecken kann. Dann habe ich eben angefangen, mich mit Spiritualität zu beschäftigen. Da ist es ganz wichtig, wenn wir tatsächlich den Weg gehen wollen, dass wir Gott in uns selber zum Ausdruck bringen wollen, dass wir ein Kanal werden wollen für Gott, dass eben nicht ständig auf die Unterschiede schauen ‒ in der einen Religion wird es so gesagt, die Schamanen sagen es so, im Reiki und im Taoismus wird es wieder anders gesagt. Wir sollten uns angucken: Was sind die Gemeinsamkeiten? Was ist das, was mich berührt? Nachdem ich mich lange mit den östlichen Lehren beschäftigt habe, habe ich wieder einen ganz anderen Blick auf die Lehren Jesu bekommen. Da entdecke ich heute ‒ dadurch, dass ich so einen tiefen Zugang für mich kultiviert habe zum Yoga, zu Hinduismus, Buddhismus usw. ‒ das, was Jesus gesagt hat (bzw. das, was man sagt, was er gesagt haben soll), noch einmal ganz neu.
Wenn es im Johannes-Evangelium heißt, der Vater und ich sind eins, dann ist das reinste Yogalehre, die dort steht. Oder wenn es heißt, ich bin der Weg, das Licht und die Liebe, dann deutet das auf die Einheit allen Seins hin.
Jesus hat uns einen Weg aufgezeigt, wie wir kein neues Karma erschaffen
Dann ist mir irgendwann auch deutlich geworden, was Jesus meint, wenn er sagt, ich bin für deine Sünden am Kreuz gestorben. Das bedeutet aus einer yogischen Interpretation, dass Jesus uns einen Weg aufgezeigt hat, wie wir uns von den Sünden lösen können.
Ich glaube, es wird fälschlicherweise angenommen, man müsse nur an Jesus glauben und dann seien alle Sünden weg. Ich glaube, man kann einfach dem Weg folgen, den Jesus gegangen ist. Indem man Liebe, Nächstenliebe und Barmherzigkeit übt, kann man sein Herz öffnen, mehr in die Gegenwart eintauchen und man baut keine neuen Sünden mehr auf, kein neues Karma.
Dann macht es Sinn zu sagen, Jesus ist für mich am Kreuz gestorben, weil Jesus durch sein Leben ein Vorbild war, weil er einen Weg aufgezeigt hat, dem ich nachfolgen kann. Und dann passt das wunderbar mit dem Yoga zusammen. Wie gesagt, es ist immer die Frage wie eng wollen wir das interpretieren. Wenn wir das Christentum ganz eng interpretieren und klar an den Glaubenssätzen festhängen, dann sind Yoga und Jesus schwierig zu vereinbaren. Aber wenn es uns um Spiritualität geht, wenn es uns um die Befreiung geht, darum tatsächlich Gott zu erleben, dann ergänzen sich Yoga und Jesus ganz wunderbar, dann widerspricht sich das nicht.
Ich habe sogar mal einen Yogi kennengelernt, der Muslim war. Das widerspricht sich auch überhaupt nicht, wenn man auf die spirituelle Dimension schaut. Da ist es das gleiche wie im Christentum: Die Mainstream-Muslime haben ganz starre Glaubenssätze, aber es gibt da auch tief spirituelle Leute, die über den Tellerrand hinausschauen. Den Sufis geht es nicht um Glaubenssätze, sondern um innere Erfahrungen.
Yoga und Jesus: Das Gleichnis vom Berggipfel
Wenn innere Erfahrungen im Vordergrund stehen, dann widersprechen sich die ganzen Religionen und Traditionen und spirituellen Ideen überhaupt nicht. Es sind einfach alles unterschiedliche Standpunkte, auf denen man steht.
Wenn man einen Berg betrachtet: Wenn wir auf der einen Seite stehen, müssen wir in nördliche Richtung, um hoch zu kommen. Wenn wir auf der anderen Seite stehen, müssen wir in südliche Richtung gehen. Und wenn wir jeweils jemanden nach dem Weg zum Gipfel fragen, dann zeigen die in völlig andere Richtungen. Aber es ist dasselbe Ziel, nämlich der Gipfel des Berges.
Die beiden Menschengruppen auf den unterschiedlichen Standpunkten, die sehen sich nicht, denn da liegt der Berg dazwischen. Die sehen sich erst, wenn sie oben sind. Wenn sie oben sind, stellen sie fest: „Guck mal, wir sind in zwei verschiedene Richtungen gegangen und sind trotzdem zum selben Ziel gekommen!“
Dazu sagt der Inder: Wenn der Weise mit dem Finger auf den Mond zeigt, sieht der Idiot nur den Finger.
So ist das mit den Lehren zu betrachten. Die Lehren sind immer dazu da, auf etwas hinzudeuten. Es kommt nicht auf die Lehren, auf die Worte, auf die Dogmas an, sondern wir sollten uns immer anschauen: Worauf deuten sie hin?
Jesus, Mohammed, Buddha usw. haben alle auf dasselbe gedeutet, nur von unterschiedlichen Standpunkten aus.
Hier noch ein Negativbeispiel eines Klerikers: