Beim Karma Yoga geht es darum, die kausale Kette von Ursache und Wirkung zu durchbrechen und so eine Trennung zu schaffen zwischen dem, was ich tue und dem, was ich bekomme. Normalerweise handeln wir, um damit etwas für uns zu erreichen oder zu vermeiden, das ist zwingend verbunden mit einer Identifikation mit Körper und Person, Karma Yoga versucht, dieses zu durchbrechen. Im Karma Yoga geht es darum, dass wir das tun, was gerade vor der Nase liegt, was zum Wohle aller und was das Richtige ist, jetzt zu tun. Das heißt, wir versuchen uns auf die Gegenwart zu konzentrieren und zu sehen, was jetzt das Richtige zu tun ist. Impulse, die aus dem Inneren kommen oder Situationen, die im Außen passieren, zu registrieren und zu sehen, dass man in dem Moment einfach das tut, was anliegt bzw. was offensichtlich das Richtige ist, ohne ständig sich in Zukunft oder Vergangenheit zu verlieren. Das ist das eine, wir tun das, was vor der Nase liegt, wir geben unser Bestes, wir achten darauf, dass es keinem schadet, dass es zum Wohle aller ist und dann lassen wir das los. Sozusagen schenken wir unser Handeln dem Universum oder Gott, traditionell spricht man da vom Opfern der Handlungen oder vom Dienen.
Karma Yoga ist Dienen und Akzeptieren
Gleichzeitig machen wir Erfahrungen. Karma Yoga bedeutet, alle Erfahrungen, die wir machen, also alles, was so von außen auf uns zukommt, als ein Geschenk von Gott an uns zu sehen. Das heißt, dadurch trennen wir Ursache und Wirkung. Ich verschenke das, was ich tue, an Gott und lasse es dann los. Ich weiß ja, ich habe mein Bestes getan. Und gleichzeitig akzeptiere ich alles, was von außen auf mich zukommt, dankbar als ein Geschenk von Gott an mich. Und dann haben wir eine Win-Win-Situation. Ich kriege meine Erfahrungen als ein Geschenk von Gott, auch, wenn es negative Erfahrungen sind, sind es Lernaufgaben. Und als Dank verschenke ich all mein Handeln Gott. Dadurch bin ich nicht mehr der Handelnde, sondern ich bin Kanal. Ich tue einfach das, was anliegt und lasse es los und akzeptiere das, was von außen kommt, ohne zu sehen: “Ah, das habe ich ja toll gemacht, dass ich das jetzt erreicht habe”. Sondern ich versuche, das so zu akzeptieren als ein Geschenk von Gott bzw. dem Kosmos an mich. Was dadurch passiert, ist, ich bekomme mehr Kontrolle einerseits, da ich immer präsenter werde und immer mehr im Augenblick das tue, was jetzt das Richtige ist zum Wohle aller. Und ich bekomme mehr Befriedigung, weil ich mich in Demut und Bescheidenheit übe und das akzeptiere, was so auf mich zukommt. Und das ist Karma Yoga.
Anders gesagt, es geht darum, nicht an den Früchten der eigenen Handlung zu hängen. Natürlich ist es so, dass wir im täglichen Leben, wenn wir im Beruf sind oder Kinder großziehen, dass wir dann auch zielgerichtet arbeiten müssen, aber es gibt immer verschiedene Ebenen. Einerseits gibt es die relative Ebene, wo wir Sachzwänge haben: wenn wir zB zwei schreiende Kinder haben, dann müssen wir zusehen, dass wir sie ernähren und ihnen eine glückliche Kindheit bescheren. Und dann müssen wir zielgerichtet arbeiten. Wir müssen zusehen, dass wir einkaufen und kochen und so weiter. Das ist einmal die relative Ebene, wo wir einfach die Sachzwänge haben, unsere Verantwortungen haben. Aber andererseits gibt es die absolute Ebene, wo wir uns als Diener sehen können, Kinder erziehen ist da wahrscheinlich das beste Beispiel. Wir buttern so viel da rein und müssen so viel reingeben, wo wir oft das Gefühl haben, dass wir nichts zurückkriegen. Aber natürlich sehen wir, dass die Kinder wachsen und gedeihen und das ist dann das, was wir zurückkriegen.
Also, Karma Yoga – selbstloses Handeln.
Im folgenden Vortrag einige Aussagen von Swami Sivananda über Karma Yoga von mir kommentiert:
“Wenn du ein wenig von der Wonne des Karma Yogas gekostet hast, kannst du nicht mehr damit aufhören.”
Swami Sivananda ist zweifelsohne einer der ganz großen Meister des Yoga gewesen, einer der den heutigen Boom des Yoga im Westen mit vorbereitet hat. Er hat zu Lebzeiten über 400 Bücher geschrieben, um das Wissen vom Yoga aufzubereiten und für die Nachwelt zugänglich zu machen, sein Beitrag für die Nachwelt ist unschätzbar. Aus dem Buch “Karma Yoga” habe ich einige Verse herausgesucht, die ich hier kurz kommentieren möchte, um diesen wichtigen Yogaweg zugänglich zu machen. Ich bin der Meinung, dass Karma Yoga der wichtigste aller Yogawege ist, und dass es die entscheidende Grundlage darstellt zur Erlangung des Ziels des Yoga: Freiheit.
Karma Yoga – Swami Sivananda
“Unwissende Menschen stürzen sich voreilig auf Jnana Yoga, ohne zuerst eine vorbereitende Ausbildung im Karma Yoga zu haben. Das ist der Grund, aus dem sie kläglich daran scheitern die Wahrheit zu erkennen. Sie können über Brahman nur sprechen. Sie ergehen sich in allen möglichen sinnlosen Kontroversen, eitlen Debatten und trockenen, endlosen Diskussionen. Ihre Philosophie ist nur ein Lippenbekenntnis.”
In den Schriften ist es klar verankert, es braucht eine solide Stabilität der ganzen Persönlichkeit um tief ins Yoga einzutauchen, der mystische Weg birgt viele Fallstricke. Diese Grundlage ist auf verschiedene Weisen formuliert, man kann sie auch in den 10 Geboten oder in den “Yamas und Niyamas” des Raja Yoga finden.
Es geht darum in Harmonie und Einklang mit Gottes Schöpfung zu sein und da ist die innere Einstellung des Karma Yoga das ideale Mittel. Wenn wir nicht im Karma Yoga verankert sind wird jedes Jnana Yoga zur reinen Gedankenakrobatik und jedes Bhakti Yoga zur Heuchelei, das leben als Dienst zu betrachten macht den Yogaweg erst authentisch.
“Weder Meditation noch Samadhi ist möglich ohne vorausgehendes Üben von Karma Yoga.”
Karma Yoga bedeutet sich bzw sein Ego aus dem Handeln und Erfahren herausnehmen, sich ganz dem gegebenen hingeben und tuen was anliegt. Wenn wir dieses im Alltag üben, können wir das auch in der Meditation umsetzen, Also Gleichmut gegenüber dem was ist und sich bemühen das beste draus zu machen ohne Erwartungen.
Man sagt: nur wenn Karma Yoga geübt wird kann die Meditation tatsächlich tief werden!
“Karma Yoga bereitet den Geist auf den Empfang des Lichts oder der Weisheit vor. Es weitet das Herz und zerstört alle Hindernisse, die dem Weg zur Einheit und dem Einssein entgegenstehen.”
Die Praxis des Karma Yoga macht den Geist leer und das Herz weit, wir werden bereit die Weisheit aufzunehmen und die Wahrheit zu erkennen.
“Jede Handlung ist eine Mischung aus gut und böse. Es kann in dieser Welt weder eine vollkommene gute, noch eine vollkommene böse Handlung geben. Dieses physische Universum ist relative Ebene. Wenn man handelt, so wird dies sowohl etwas Gutes als auch etwas Böses bewirken. Versuche deshalb, so zu handeln, dass es ein Maximum an Gutem hervorruft und ein Minimum an Bösem.”
Dabei ist das Entscheidende die Intention die hinter der Handlung steht, denn ein und die selbe Handlung erzeugt nur durch die damit verbundene Zielsetzung neues karma welches unterschiedlich gefärbt sein kann. Beispielsweise
- Ein Räuber der mit seinem Messer auf ein Opfer einsticht.
- Ein Chirurg der mit seinem Skalpell die richtige Stelle nciht trifft.
beide können durch ihr Handeln eine Tötung vornehmen, jedoch sind ganz andere Voraussetzungen gegeben.
“Das Geheimnis besteht darin, ohne jegliche Verhaftung und Egoismus zu handeln. Die zentrale Lehre der Gita ist die Verhaftungslosigkeit gegenüber den Handlungen.”
Also man tut einfach das was gerade im Moment anliegt, ohne dabei persönliche interessen zu verfolgen. Man ist sozusagen im Fluss des Augenblicks und tut das was sich ergibt. Natürlich muss man auch die Zukunft planen und die Vergangenheit reflektieren, entscheidend ist aber immer zum Wohle aller beteiligten zu handeln.
“Ein Karma Yogi erwartet als Gegenleistung nicht einmal Liebe, Wertschätzung, Dank oder Bewunderung von den Menschen, denen er dient.”
Er macht also einfach seinen Dienst um damit seine Aufgabe im Kosmos gerecht zu werden, den Dank bekommt er zwar vom Kosmos zurück, dies ist aber nicht seine Motivation.
“Die größte Hilfe oder den größten Dienst, den du der Welt erweisen kannst, ist das Weitergeben des Wissens über Gott. Spirituelle Hilfe ist die höchste Hilfe, die du der Menschheit geben kannst. Die Wurzel menschlichen Leidens ist Avidya (Unwissenheit). Wenn du diese Unwissenheit in den Menschen beseitigen kannst, erst dann können sie für immer glücklich sein. Der Weise, der versucht, das Unwissen zu beseitigen, ist der größte Wohltäter auf dieser Welt.”
Es gibt verschiedene Weisen dem Kosmos zu dienen und sich dadurch zu läutern, der beste Weg ist anderen Menschen zu helfen mit sich ins reine zu kommen.
“Dient ein Mensch der Welt, dient er in Wirklichkeit sich selbst. Wenn der Mensch anderen hilft, hilft er in Wirklichkeit sich selbst. Dies ist ein weiterer wichtiger Punkt. Allgemein sind weltlich eingestellte Menschen mit Egoismus aufgeblasen, wenn sie anderen helfen. Es erfüllt sie mit Stolz. Diese Welt will von niemandem Hilfe. Es gibt den einen allmächtigen Isvara, der dieses Universum kontrolliert und lenkt.”
Wenn wir dem Kosmos dienen so wird der Kosmos auch für uns sorgen, wenn wir versuchen den Kosmos auszutricksen und Dinge nur für uns tun, so werden wir immer wieder neue Aufgaben bekommen bis wir in Harmonie kommen und unsere Aufgabe im großen Ganzen erfüllen.
“Ja, durch Dienen reinigst du dein Herz. Egoismus, Hass, Eifersucht, Überlegenheitsgefühl und alle vergleichbaren negativen Eigenschaften werden verschwinden. Demut, reine Liebe, Mitgefühl, Nachsicht und Barmherzigkeit werden sich herausbilden. Der Eindruck der Getrenntheit wird verschwindet. Selbstsucht wird ausgemerzt werden. Du wirst einen aufgeschlossene und vorurteilslose Perspektive auf das Leben entwickeln. Du wirst beginnen, Einheit und Verbundenheit zu spüren. Schließlich wirst du Kenntnis des Selbst erlangen.”
Es geht um Läuterung und Transformation, Karma Yoga hilft uns die niederen Eigenschaften zu überwinden, immer mehr werden wir die Einheit mit dem Ganzen erkennen.
“Unterhalte große Begeisterung für uneigennütziges, selbstloses Dienen. Sei liebenswürdig zu allen. Liebe alle. Diene allen. Sei tolerant und großzügig zu jedermann. Diene Gott in allem. Auf diese Weise erreichst du das Ziel.”
Liebe ist der Schlüssel. Je mehr uneigennützige, allumfassende und bedingungslose Liebe wir ausdrücken, desto weiter kommen wir auf dem spirituellen Weg.
“Wenn du Interesse an Aufgaben entwickelst, gegen die der Geist rebelliert, wirst du später jede Art von Tätigkeit mögen. Indem du dies tust, förderst du zweifellos deine Willenskraft.”
Beispielsweise dich selbst beobachten wenn du spülen oder Kloputzen musst. Auch gut ist es sich absichtlich an die längere Schlange im Supermarkt anzustellen und zu schauen wie der geist darauf reagiert.
“Richte deine Gedanken immer auf die Lotusfüße Gottes, während deine Hände mit Arbeit beschäftigt sind. Der Geist des Mädchens, das den Wasserkrug auf dem Kopf hat, ist bei dem Krug, obwohl sie mit ihren Freundinnen spricht und scherzt während sie die Strasse entlang gehen. Durch Übung wirst du in der Lage sein, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Die manuelle Arbeit wird automatisch, mechanisch oder instinktiv verrichtet. Dein Geist wird zweifach sein. Ein Teil davon wird bei der Arbeit sein, während der Rest im Dienst Gottes, bei der Meditation, bei Japa ist.”
Das Göttliche kann bewusst unser ganzes Wesen durchdringen wenn wir üben uns auf es auszurichten. Natürlich bleibt zu klären was unter “Gott” und “das Göttliche” zu verstehen ist, aber dazu habe ich verschiedene andere Artikel verfasst.
“Wenn du ein wirklicher Karma Yogi im wahrsten Sinne des Wortes werden willst, dann musst du jederzeit, unter allen Voraussetzungen und allen Umständen einen ausgeglichenen Geist wahren. Zweifellos ist das sehr schwer. Aber du wirst es trotzdem tun müssen. Erst dann wirst du Seelenfrieden erfahren und wahrlich dauerhaftes Glück. Wer einen ausgeglichenen Geist besitzt, ist ein Jnani.”
Also: immer locker bleiben!
“In der Landwirtschaft düngt und pflügt man den Boden. Aber deine Bemühungen sind vergeblich, wenn es in diesem Jahr nicht regnet. Dies gilt nicht für Karma Yoga. Es gibt hier keine Ungewissheit, was das Ergebnis deiner Anstrengung anbelangt.”
Auch wenn die Früchte sicherlich kommen werden, spielen sie keine Rolle. Entscheidend ist bloß dem Kosmos zu dienen.
“Erwartest du von deinem kleinen Sohn eine Gegenleistung, wenn du etwas für ihn tust? Ganz ähnlich musst du für andere arbeiten, ohne etwas zu erwarten. Du musst dein Herz weit machen und dir denken, dass diese ganze Welt dein eigenes Selbst ist. Anfangs verursacht es dir etwas Schmerz, weil du bislang nicht selbstlos und zweckfrei gehandelt hast. Wenn du dann aber ein wenig von der Wonne des Karma Yogas gekostet hast, kannst du nicht mehr damit aufhören. Die Kraft von Karma Yoga wird dich dazu bringen, mit großem Eifer und großer Begeisterung mehr und mehr zu arbeiten. Du beginnst wahrzunehmen, dass diese Welt eine Manifestation Gottes ist. Du gewinnst enorme innere Stärke und Reinheit des Herzen. Dein Herz ist voller Barmherzigkeit, Mitgefühl und reiner Liebe. Dein Geist der Selbstaufopferung wächst ins Unermessliche. Selbstsucht aller Art wird ausgelöscht.”