Der kurze Satz “dein Wille geschehe” drückt vieles aus, was uns im Yoga, insbesondere im Bhakti Weg besonders wichtig ist. Sich selbst als ein Werkzeug Gottes zu betrachten und sich dem Göttlichen Willen zur Verfügung zu stellen ist eine seligmachende innere Einstellung. Sie ist sowohl im Yoga als auch im Christentum empfohlen und bedingt Demut. In der Bergpredigt empfiehlt Jesus Christus als tägliches Gebet sein “Vater Unser”, eine zentrale Zeile in diesem wichtigen Gebet ist “Dein Wille geschehe”. Im Vortrag aus einem Satsang erläutere ich kurz wie man diesen Satz verstehen kann und was er als innere Einstellung zu Erfahrungen und Handlungen zu bedeuten hat. Es drückt vor allem die Hingabe und Demut gegenüber Gott aus.
Der Bhakti Yoga ist eine spirituelle Praxis, die sich auf die Hingabe an Gott, die göttliche Essenz und die göttliche Liebe konzentriert. “Dein Wille geschehe” ist eine Herausforderung, sich vollständig und freiwillig Gott hinzugeben und seinen Willen über unseren eigenen Willen zu stellen. Es bedeutet, unseren Geist, unser Herz und unsere Seele vollständig auf Gott auszurichten und seine göttliche Führung zu akzeptieren. Es ist ein Weg, uns selbst zu überwinden und uns völlig auf Gott zu konzentrieren, um unsere spirituelle Entwicklung voranzutreiben.
Dein Wille geschehe!
Transkription des Vortrags Dein Wille geschehe
Eine der bekanntesten Stellen in der Bibel ist ja die Stelle, wo Jesus in der Bergpredigt empfiehlt, das Vaterunser zu beten, und sicherlich die bekannteste Zeile aus dem Vaterunser ist ‘Dein Wille geschehe’. Das ist ein kurzer Satz, über den wir wohl viel nachdenken können, und den es auch aus der Yogasicht sehr wichtig ist, in unser Leben zu integrieren.
Denn ‘Dein Wille geschehe’ bedeutet, eine höhere Macht oder Kraft anzuerkennen und sich dieser hinzugeben. Die Kontrolle abzugeben an eine höhere Kraft oder Macht. ‘Dein Wille geschehe’ heißt also einerseits, dass wir akzeptieren, was im Außen passiert, so dass das, was an Ereignissen um uns herum abläuft bzw. auch das, was uns als Schicksal ereilt, also das, was uns einfach gegeben wird an Erfahrungen, dass wir damit nicht ständig hadern und ständig daran zweifeln , ob wir auch das Richtige tun und versuchen, alles zu verändern, sondern dass wir zu einer akzeptierenden Grundhaltung kommen. Dass wir erkennen, dass ich und die Welt alles Teil eines großen geordneten Kosmos ist und dass es dort eine göttliche Kraft gibt, die letztendlich die Intelligenz hinter der Schöpfung ist, die dafür sorgt, dass alles seinen Gang geht, dass alles mit Sinn erfüllt ist und dass alles am Ende, wenn es zusammengefügt ist, wieder ins Heile, ins Ganze, ins Licht hineinkommt. Also ‘Dein Wille geschehe’ heißt, dass wir akzeptieren, dass wir Teil eines großen Kosmos sind und dass wir nur ganz wenig Macht – wenn überhaupt – haben und dass alles, was geschieht, letztlich durch die Gnade Gottes geschieht.
Dein Wille geschehe, aber wer ist das Gegenüber?
Wobei natürlich die Frage ist: Was stellen wir uns unter Gott vor? Es gibt verschiedene Konzepte im Yoga, z.B. heißt es im Rigveda, dem ältesten Text des Yoga: ‘Die Weisen erkennen die Wahrheit auf drei Arten.’ Sie sehen Brahman, sie sehen Bhagavan und sie sehen Paramatman. Also das Göttliche ist sowohl die Einheit allen Seins, das Eine ohne ein Zweites, was wir als Brahman bezeichnen, dieses absolute, alldurchdringende Bewusstsein, als auch eine konkrete Wesenheit, wie z.B. Shiva oder Krishna, welche identisch ist mit Brahman, nur dass sie eine Verkörperung von ihm ist. Bzw. sie gibt dem Göttlichen eine Stimme oder ein Symbol, so dass wir uns vor ihm verneigen und hingeben können.
Wenn wir sagen ‘Dein Wille geschehe’, heißt das, dass wir akzeptieren, dass das, was um uns herum geschieht, Gottes Wille ist. Möge das geschehen und möge ich dem gerecht werden. Das ist der zweite Aspekt. Dass auch ich mich zurücknehme und sage, nicht mein Wille geschehe, sondern dein Wille, Gottes Wille. Dass ich mich immer mehr als ein Instrument, als Kanal für Gott betrachte. Dass das Göttliche durch mich hindurch wirken möge und nicht ständig mein Ego im Vordergrund steht, das irgendetwas will. Mit Ego meinen wir v.a. den Aspekt von uns, der sich mit Körper und Person und Besitztümern in unserem Alltag identifiziert. Immer wenn wir identifiziert sind mit Körper und Person, dann handeln wir aus diesem begrenzten Bewusstsein heraus.
Dein Wille geschehe, aber sind wir nicht Eins?
Aber eigentlich sind wir mit allem verbunden und eigentlich sind wir Teil eines Größeren. Das ist wie ein riesengroßes Netzwerk, in dem wir ein kleiner Knotenpunkt sind. Oder wie ein riesengroßer Organismus, und wir sind eine Zelle in diesem riesigen Organismus. Und als Zelle in diesem riesigen Organismus tun wir gut daran, uns einzuordnen, unsere Aufgabe in diesem Organismus zu erfüllen und nicht zu meinen, wir sind anders als die andern Zellen und müssen für uns selbst sorgen. Denn jede Zelle im großen Organismus ist abhängig vom großen Ganzen und auch von den anderen Zellen.
So ist es für uns auch wichtig, wenn wir glücklich und zufrieden werden wollen, dass wir uns vernetzen und dass wir uns als Teil diesen größeren Ganzen betrachten und in diesem unsere Aufgabe erfüllen. Das heißt dann, dass wir nicht mehr aus diesem begrenzten Blickwinkel der Ego-Identifikation handeln bzw. dass wir nicht mehr immer das tun, was wir wollen, sondern das tun, was unsere Aufgabe ist, oder das tun, was in diesem Moment nach bestem Wissen und Gewissen so zu sein scheint , dass es der göttliche Wille ist.
Dein Wille geschehe – nicht mein Wille
‘Dein Wille geschehe’ heißt also, dass ich versuche, das zu tun, was das Richtige ist, zu tun und nicht, was ich tun will. Es gibt einen berühmten Ausspruch aus der Katha (im Audiovortrag habe ich irrtümlich Kena Upanishad gesagt) Upanishad, da heißt es, es gibt Shreyas und Preyas es gibt das Gute und das Richtige, also das, was wir jetzt im Moment meinen, was gut für uns ist, und es gibt das, wovon wir erkennen, dass es das Richtige ist zu tun. Wir sollten uns bemühen, immer das zu tun, was jetzt in diesem Moment – wir können ja immer nur für diesen Moment sprechen und leben – das Richtige zu sein scheint. Wenn wir uns dementsprechend einordnen und uns bemühen, dass der göttliche Wille um uns herum geschehen mag und dass wir dem gerecht werden, dass sich dann auch die Dinge um uns herum fügen.
Denn der göttliche Wille strebt immer nach Ordnung und Heilung, so dass ,wenn wir uns einordnen und das tun, was zu tun ist, dann können wir darauf vertrauen, dass sich um uns herum die Dinge sortieren und in die Heilung kommen. Wenn wir aufhören, ständig etwas zu wollen und mit aller Kraft irgendwo etwas Bestimmtes zu erreichen, sondern einfach sanft wie das Wasser sind und uns dem fügen, was gerade geschieht und damit mitfließen. In jedem Augenblick schauen, dass wir tun, was zu tun ist im Sinne von ‘Dein Wille geschehe. Und nicht mein Wille.
Hari Om Tat Sat.
“Und sprach: Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir weg – doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!” Luk 22,42