Seit meiner Ausbildung zum Koch in der Mitte der Neunziger haderte ich mit dem von mir mitverursachten Tierleid und spielte entsprechend mit dem Gedanken mich künftig nur noch vegetarisch zu ernähren. Leider war ich damals nicht stark genug um trotz des täglichen Umgangs mit Fleisch und Innereien selbigem zu entsagen und so sollte es noch weitere 10 Jahre dauern bis ich diesen Schritt vollzog. Meine innere Ausrede war immer, dass es nicht möglich sei normaler Koch und Vegetarier zugleich zu sein, da man ja immer auch probieren muss was man zubereitet. Ein großer Teil meiner täglichen Arbeit bestand damals darin, tierische Leichenteile zu zerstückeln und auf verschiedene Weisen schmackhaft zuzubereiten, was mir zunehmend Unbehagen bereitete. Als Lehrling fielen mir immer wieder Äußerst unangenehme Aufgaben zu, wie z.B. das Portionieren einer kompletten Rinderleber (ekelhaft!) oder das entfernen von Sehnen in einem gekochten Kalbshirn. Wahnsinn! Grob geschätzt habe ich in meiner Karriere (ich habe damals in der Spitzengastro gearbeitet) etwa 500 Hummer töten müssen. Wenn man zugleich bemüht ist bewusst und liebevoll für eine bessere Welt zu kämpfen, führt dies zu einer massiven kognitiven Dissonanz. Neben der Frage mit dem Tierleid haderte ich auch damit für steinreiche Leute zu arbeiten und dafür mit einem spärlichen Lohn abgefüttert zu werden. Daher habe ich dann andere Wege gesucht um als Koch tätig zu sein und mein Gewissen damit ein wenig zu erleichtern. Ich habe dann andere Jobs als Koch angenommen wie z.B. auf einem Pferdeflüstererhof, in angesagten Studentenbars, einer Fußballkneipe und für Reiseveranstalter im Ausland, aber immer wieder war ich konfrontiert mit hemmungslosem Karnismus. Die kognitive Dissonanz war auch bei anderen zu beobachten, mit Pferden flüstern und danach Schweine essen? Gegen den Krieg Demonstrieren und Mettbrötchen dabei futtern? Irgendwie passt da vieles nicht zusammen, ich denke wenn man für den Frieden ist sollte man Tiere da mit einschließen. Nun denn, da ich selbst auch ein Genussmensch bin fiel es mir schwer die zubereiteten Spezialitäten nicht zu probieren und so schaffte ich es damals nicht der Fleischeslust zu entsagen. Erst als ich im Jahr 2006 den klaren Entschluss fasste mein Leben ganz neu zu gestalten und auszurichten schaffte ich endlich den Sprung ins Vegetariertum. Damals arbeitete ich in der besagten Fußballkneipe und mancher Gast rief vor dem Abendessen an, um vor der Tischreservierung nachzufragen ob ich denn da sei, da keiner die Steaks so gut mache. Mir wurde dabei zunehmend übel. Ich konnte diese Ambivalenz nicht mehr ertragen. Mein Entschluss lautete damals, mich ganz meiner Spirituellen Suche zu widmen und neben dem Konsum von Aas auch auf Alkohol, Zigaretten und Drogen zu verzichten. Das war am 15. Dezember 2006, also heute vor genau 10 Jahren. In diesen 10 Jahren hatte ich immer mal wieder kleine Rückfälle was Drogen (im weitesten Sinne) anging, aber in Sachen Vegetariertum bin ich bis heute konsequent und entschlossen. Bis auf hier und da ein bisschen Gelatine die sich kaum vermeiden lässt wenn man nicht sehr genau aufpasst. Gelatine… eine perverse Angelegenheit wenn man mal drüber nachdenkt: Knochen und andere Schlachtabfälle werden ausgekocht und dann mit Zucker und Farbstoff den Kindern zum Naschen gegeben. Na guten Appetit! Die angesprochenen Rückfälle sind dann übrigens immer seltener geworden und inzwischen ist mir die Lust an künstlich herbeigeführten Rauschzuständen aller Art gänzlich vergangen. Dann doch lieber Yoga und Meditation! Denn durch Spirituelle Übungen kommt man in viel schönere Zustände als es irgendwelche Substanzen ermöglichen. Meine damalige Entscheidung wurde erheblich unterstützt durch meinen Orts-und Jobwechsel, denn ich habe damals begonnen als Koch bei Yoga-Vidya im Westerwald zu arbeiten. Ich merkte damals sehr schnell wie sich in mir vieles verändert hat, zum einen durch die konsequente Praxis und zum andern durch den reinen Lebenswandel. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass eine vegetarische Ernährung nicht nur rein äußerlich Leiden vermindert, sondern es uns auch innerlich friedlicher macht. Ich habe das subjektive Gefühl, dass ich durch den Verzicht auf Fleisch deutlich klarer und harmonischer mit meinen Gedanken und Gefühlen umgehen kann. Man hat übrigens festgestellt, dass Fleischkonsum zu einer Abhängigkeit führt, daher haben Karnisten oft das Gefühl nicht Satt geworden zu sein wenn sie kein Fleisch auf dem Teller hatten, da ihre Sucht nicht befriedigt wurde. Ähnlich wie bei Nikotin wird diese körperliche Sucht aber nach einigen Wochen verschwinden. Nun denn: ich glaube der Vegetarismus hat mich zu einem besseren Menschen gemacht, nicht weil ich mich moralisch überlegen fühle, sondern weil ich innerlich friedlicher bin. Daher denke ich, dass es hilfreich wäre wenn mehr Menschen sich dazu entscheiden würden. Aber, und das ist ein wichtiger Punkt, das lässt sich nicht erzwingen. Vor allem kann man andere nicht “überzeugen” indem man sie mit der Moralkeule nervt. Ich bin davon überzeugt, dass sich jeder tief im inneren des Leides in der Tierwelt bewusst ist und es gerne vermeiden würde, aber ein jeder ist eben nur Opfer der eigenen Programmierungen. Die Entscheidung zu einem anderen Leben kann nur von innen kommen! Übrigens sollte man sich neben dem Tierleid auch einige andere Faktoren vor Augen führen die für eine vegetarische Ernährung sprechen, so z.B. die Umweltvergiftung durch Abfälle aus der Massentierhaltung, Futterproduktion in Ländern mit hungernden Kindern, deutlich bessere Gesundheit bei Verzicht auf Fleisch, Zusammenhang von psychischen Problemen und Fleischkonsum und vieles weiteres. Natürlich gibt es noch viel mehr möglichketen Moraloptimiert zu handeln, zweifelsohne ist es z.B. ethisch hervrragend sich vegan zu ernähren, aber ich denke jeder Schritt zählt. Jeder kann für sich selbst überlegen wie er ein bisschen gewaltfreier agieren kann, es hilft bereits wenn du statt täglich nur noch 2 Mal in der Woche Fleisch isst, oder wenn du statt Discounterplastikfleisch künftig beim Bioladen einkaufst. Jeder Schritt zählt, jeder bisschen Leid weniger ist eine Schritt in eine bessere Welt. Derzeit arbeite ich übrigens wieder als “normaler Koch”, also in einer Küche in der auch Aas verarbeitet wird. Vor meinem Dienstantritt habe ich allerdings vereinbaren können, dass ich das Fleisch nicht anfassen oder sogar probieren muss, ich muss es nur Bestellen und die Kolleginnen darin anleiten es zuzubereiten. Es ist sehr seltsam wieder mit Leichenteilen zu tun zu haben, aber letztendlich ist es nur Maya. Leider habe ich keinen vergleichbaren vegetarischen Job gefunden und freue mich über die Vorzüge meines Jobs die für einen Koch sehr ungewöhnlich sind: Abends und Wochenende frei. Manchmal muss man eben leider Kompromisse eingehen um ein höheres Ziel zu verfolgen. Ein wesentliches Grundkonzept im Yoga bzw. in der Spiritualität ist die Gewaltfreiheit, also der Anspruch so zu leben, dass weder andere noch man selbst Schaden nimmt. Dieses ist individuell so gut wie möglich umzusetzen.
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