Agni Dev ist wohl neben Indra der wichtigste unter den vedischen Göttern, er gilt als Mittler zwischen den Welten, Feuergott und Göttlicher Beobachter der irdischen Welt.
Agni Dev – Feuer und Zeuge
Ebenso verbindet Agni die materielle Welt mit der spirituellen Welt, er gilt seit Urzeiten als Bindeglied zwischen den Welten. Er ist kaum zu trennen vom physischen Feuer und seine Aufgabe ist, den Göttern die Opfergaben der Rituale zu überbringen. In den späteren Upanishaden bei denen es mehr um innere Entwicklung als um äussere Rituale geht, wird Agni dann mehr internalisiert. Er wurde quasi zu einer Metapher für das allen innewohnende Selbst, dem unberührten Beobachter.
Das Wort Agni
Das Wort “Agni” bedeutet einfach Feuer und es steht für die Transformative Kraft die dem Feuer innewohnt.Es gibt jedoch auch noch detailliertere Analysen der etymologischen Herkunft des Wortes. So könnte sich das Wort auch ableiten von:
- Agnir “führen, leiten, voran gehen”
- Agri “zuerst, erster”
Weitere Namen die für ihn in den Veden genutzt werden sind z.B.
- Jatavedas (Einer mit Kenntnis aller Geburten und Nachkommen)
- Vaishvanara (Jemand der alle gleich behandelt)
- Tanunapat (Son seiner selbst, selbstgemacht)
- Narasamsa (durch alle Menschen verehrt)
- Tripatsya (Mit drei Wohnstätten)
Agni Dev – zentraler vedischer Gott
Nach dem Gottkönig Indra wird Agni Dev in den Veden am häufigsten erwähnt und angerufen. In der vedischen Kosmologie existiert er auf drei verschiedenen Ebenen:
- Erde: Feuer
- Atmosphäre: Blitz
- Himmel: Sonne
Allein im Rig Veda gibt es über 200 Hymnen die sich an ihn richten, sein Name taucht in einem Drittel aller Hymnen des Rig Veda auf. Sogar das allererste Wort dieses Veda ist “Agni”:
“Agni berufe ich als Bevollmächtigten, als Gott-Priester des Opfers, als Hotri, der am meisten Lohn einbringt.” Rig Veda 1.1.1.
Hinduistisches Vebrennungsritual
Agni spielt als Botschafter zwischen der Welt der Götter und Menschen auch eine wichtige Rolle beim Sterbevorgang. Basierend auf Versen des Rig Veda werden bei der Verbrennung des Leichnams verschiedene Mantras an Agni in seiner Form als Kravyad gerichtet. Im Shatapatha Brahmana wird die Wichtigkeit einer rituellen Kremierung betont. Für die Seele des Verstorbenen ist es leichter sich von der irdichen Ebene zu lösen, wenn kein Körper mehr da ist.
“Und wenn er stirbt, und wenn sie ihn in das Feuer legen, dann wird er (wieder) aus dem Feuer geboren, und das Feuer verbraucht nur seinen Körper. Auch wenn er durch seinen Vater und seine Mutter geboren ist, so ist er doch aus dem Feuer geboren. Wer aber nicht die Agnihotra anbietet, wahrlich, er kommt überhaupt nicht mehr ins Leben; darum soll die Agnihotra mit allen Mitteln angeboten werden.” Shatapatha Brahmana 2.2.4.8
Hier eine Auswahl von Versen des Hymnus 10.16 “An das Leichenfeuer” aus dem Rig Veda:
“Verbrenn ihn nicht ganz, o Agni, verglüh ihn nicht, versenge nicht seine Haut noch seinen Körper! Wenn du ihn gar gemacht haben wirst, o Jatavedas, dann entlaß ihn zu den Vätern!” 10.16.1
“Wenn du ihn gar gemacht haben wirst, o Jatavedas, dann überliefere ihn den Vätern; wenn er dieses Seelengeleite antreten wird, dann soll er Höriger der Götter werden.” 10.16.2
“Gib ihn den Vätern wieder heraus, o Agni, der dir geopfert eigenmächtig wandert! In Leben sich kleidend soll er seine Hinterbliebenen aufsuchen; er soll sich mit deinem Leib vereinigen, o Jatavedas!” 10.16.5
“Den fleischfressenden Agni sende ich weit fort; er soll zu den Untertanen König Yama´s gehen, das Unreine fortführend. Hier soll dieser andere Jatavedas den Göttern das Opfer zuführen, des Weges kundig!” 10.16.9
“Der Leichen fortführende Agni, der den wahrheitsstärkenden Vätern opfern soll, er möge den Göttern und den Manen die Opferspende ansagen.” 10.16.11
Agni in den Upanishaden
Auch in vielen Upanishaden taucht Agni in verschiedenen Rollen auf. Zum einen wird er in seiner Rolle als Feuergott beschrieben, zum anderen auch als der unbeteiligte Zeuge. In der Chandogya Upanishade wird er als Lehrer beschrieben:
Da redete ihn das Feuer an und sprach: “Satyakama!” – “Erwürdiger!” Erwiderte er. “Ich will dir, mein Lieber, einen Fuß des Brahman kund machen.” Chandogya Upanishad 4.6.2,3
Hingegen wird der Feuergott in der Kena Upanishade als ein Schüler beschrieben der Brahman nicht erkennt, der Strohalm und das Feuer sind hier als Symbol zu betrachten:
16. Und sie sprachen zu Agni: „Erforsche doch, o Wesenkenner, was das für ein Wunderding ist!“ ? „So sei es!“ sprach er.
17. Und er stürzte auf dasselbe los. Da redet das Brahman ihn an und sprach: „Wer bist du?“ ? „Ich bin der Agni“, sprach er, „ich bin der Kenner der Wesen.“ ?
18. „Wenn du der bist, welches ist deine Kunst?“ ? „Ich vermag, dieses alles zu verbrennen, was hier auf Erden ist.“?
19. Da legte ihm Brahman einen Strohhalm vor und sprach: „So verbrenne dieses!“ ? Er stürmte darauf los mit allem Ungestüme, aber er vermochte nicht, ihn zu verbrennen. Da kehrte er zurück und sprach: „Ich habe es nicht zu erforschen vermocht, was das für ein Wunderding ist.“
In der Ishavasya Upanishade wird der letzte Vers als Bitte an den Feuergott gerichtet.
18. O Agni, führe uns auf ebenen Stegen,
Du pfadekundiger Gott, hin zum Gelingen!
Halt fern uns von der Sünde krummen Wegen!
Und höchste Ehre wollen wir dir bringen.
Antaragni, Jataragni – Verdauungsfeuer im Ayurveda
Agnidev manifestiert sich in jedem Wesen als Verdauungsfeuer welches eine wesentliche Rolle spielt in der Gesundheitslehre des Ayurveda. Es gilt als wesentlicher Faktor für gute Gesundheit das innnere Feuer zu bändigen, damit es weder zu stark noch zu schwach ist. Ein zu starkes Agni kann sich z.B. als Sodbrennen äussern, ein zu schwaches Agni als Verdauungsproblem.
Ramayana “Agni Pariksha” der Feuertest
Das Ramayana Epos transportiert ein rückständiges Frauenbild. So gilt Sita als “unrein” weil sie entführt wurde und im Palast des Entführers leben musste. Erst als sie sich selbst auf einen Scheiterhaufen stellte und ihre Reinheit durch ihre körperliche Unversehrtheit mithilfe Agnis unter Beweis stellte wurde sie rehabilitiert. Hier ein Ausschnitt aus dem 6. Buch, Kapitel 117 “Sitas Schande”, Rama spricht zu ihr:
“Geh. Geh, wohin du willst, doch nicht mit mir. Wie kann mein Heim eine Herrin wieder aufnehmen, welche mit ewigem Makel befleckt ist? Wie soll ich dies schmutzige Elend ertragen, von allen Freunden und der Familie verachtet zu werden? Denn Ravana trug dich durch die Himmel und starrte auf dich mit bösem Auge. Um deine Hüfte schlang er seine Arme, zog seine Gefangene dicht an seine Brust und hielt dich, als Unterlegene seiner Macht, als Insassin seines Frauengemachs.”
im Kapitel 118 wird dann beschrieben wie sie Agni als Zeuge anrief:
“Langsam umschritt sie ihren Herrn, betete ehrfürchtig zu den Göttern, und erhob dann ihre bittenden Hände und flehte demütig zum Herrn der Flamme (Agni): “Wenn dieses zärtliche, von Tugend geleitete Herz sich niemals vom Sohn des Raghu (Rama) abgewandt hat, so Feuer, du universaler Zeuge, beschütze meinen Körper im Scheiterhaufen, denn Raghus Sohn hat einen leeren Vorwurf auf Sita gelegt. Höre mich und hilf.”
Ihre Reinheit wurde dann im Kapitel 120 vom Feuergott bestätigt:
“Dicht neben Rama stehend, rief der universale Zeuge (Agni): “Von jeglichem Makel und Zweifel frei kehrt die treue Königin zu dir zurück. In Wort, Tat, Blick und Geist hat sich ihr Herz niemals von dir getrennt. Mit Gewalt hat der Gigant sein hilfloses Opfer von deiner einsamen Hütte davongetragen. In seinen Gemächern sicher bewahrt, hat sie sich nur nach dir gesehnt und geweint. Mit sanfter Versuchung, Bestechung und Drohung bemühte er sich, die Dame ihre Liebe vergessen zu lassen. Doch edel und ihrem Herrn treu hat ihre Seele das Werben des Giganten verabscheut. Empfange, oh König, deine Königin wieder, rein und frei von jeglicher Befleckung.”
Agnihotra und andere Feuerzeremonien
Seit Urzeiten gehört es zu den traditionellen Praktiken der indischen Spiritualität bzw. des Hinduismus sehr komplexe Feuerzeremonien abzuhalten um damit in Kontakt zu verschiedenen Energien und Aspeken des Göttlichen zu kommen. Die Yogaphilosophie befasst sich vor allem mit dem “Jnana Kanda” genannten Abschnitt der Veden, insbesondere mit den Upanishaden. Der “Karma Kanda” genannte Abschnitt bezieht sich auf Handlungen, also insbesondere Opferhandlungen die als Glückbringend gelten und die Götter besänftigen sollen.
Feuerzeremonien im Hinduismus
Sicherlich gehört das Feuer neben anderen Naturkräften wie Wind und Wasser zu den ältesten Formen in denen Gott verehrt wird. In Indien ist seit dem Altertum die Verehrung von Agnidev ein wichtiger Bestendteil des Alltages, auch wenn heute meist andere Götter verehrt werden. Auch in anderen Kulturen ist die Verehrung des Feuers seit je her ein wichtiger Aspekt des spirituellen Lebens, und so kennt jeder sicherlich die besondere Energie, die von einem Feuer ausgehen kann wie z.B. bei einem Lagerfeuer oder einem Kaminfeuer. In den vedischen Texten findet man über 400 verschiedene Arten von Jaynas, die je nach Zweck und Priester eingeteilt werden. Nicht jeder Priester darf beliebige Feuerrituale durchführen, sondern es gibt bestimmte Traditionen und Ausbildungen, die jeweils benötigt werden. In jedem Fall wird Agnidev als Bindeglied zwischen den Welten angerufen und einbezogen in die verschiedenen Feuerzeremonien.
Yajna, Homa, Agnihotra
Ich möchte zunächst einzelne Begriffe in diesem Zusammenhang etwas genauer definieren:
- Yajna bedeutet Opfer und es ist ein Überbegriff für alle vedischen Feuerzeremonieen bzw. alle Rituale in an einem heiligen Feuer gemacht werden.
- Agnihotra ist eine klassische Form einer vedischen “Yajna”, Agnihotra ist ein Ritual weches zum Sonnenauf- bzw. Untergang gemacht wird, um bestimmte Energien zu erzeugen und Kräfte in Harmonie zu bringen.
- Homa ist das Opfern in ein heiliges Feuer, also das Hineingeben von bestimmten Gaben wie Reis und Ghee, es wird auch als “Homam” oder “Havan” bezeichnet, oft wird der Begriff Homa heute als Synonym für Yajna verwendet.
“Dieses Opfer bring, du Machtvoller, für uns gern gebend zu den Göttern, du Wohlgesinnter! Gewähre uns, o Hotri, große Labsale; erbitt für uns großes Gut, o Agni!” Rig Veda 3.1.22