Rechtes Denken passt nicht zum Yoga! Aus meiner Sicht impliziert die Lehre des Yoga ein absolut weltoffenes und bedingungslos tolerantes Denken und solidarisches Handeln, die ethischen Grundlagen der Yogaphilosophie fordern sogar eine aktive Gewaltlosigkeit und Wahrhaftigkeit.
Nur leider schaut es in der dualen Realität leider anders aus, denn immer wieder beobachte ich rechtsradikale, nationalistische und andere stumpfsinnige Ideologien bei Yogis und solchen, die es werden wollen oder zu sein scheinen. Oftmals werden bedauerlicherweise auch unbewusst Inhalte aus dem braunen Sumpf verbreitet, die sich nicht auf den ersten Blick als rechtsradikal oder aus der rechten Ecke stammend erkennen lassen.
Die neue Rechte hat perfide Methoden entwickelt
Die neuen Rechten haben ihre Strategien an die moderne Zeit angepasst: längst sind sie nicht mehr an braunen Hemden oder Glatze mit Springerstiefeln erkennbar. Sie formulieren ihre Ideologie häufig durch die Blume, um damit leichter im Netz verbreitet zu werden. Sie haben die Wirkweisen der sozialen Netzwerke durchschaut und orchestrieren ihre kruden Kampagnen sehr gezielt, um Empörung zu erzeugen und den Diskurs nach rechts zu verschieben.
Mit diesem Artikel möchte ich ein wenig zur Achtsamkeit aufrufen und euch bitten, künftig etwas genauer zu prüfen, aus welchem ideologischen Hintergrund bestimmte Beiträge stammen, denn: Rassismus, Homophobie, Antisemitismus, Islamhass, Nationalismus und Xenophobie ist nicht vereinbar mit authentischem Yoga, auch wenn rechtes Denken sich heutzutage als “Ethnopluralismus”, Neo-Konservativismus, Neo-Libertarismus, Migrationskritik oder Populismus tarnt!
Rechtes Denken ist Ego-motiviert
In Yoga-Kreisen lese ich immer wieder, dass die politischen Spektren rechts/links nur dazu da seien, die Gesellschaft zu spalten. Das ist natürlich Quatsch, denn diese Kategorien helfen uns ganz klar, verschiedene Denkweisen zu benennen. Zumal diese Gleichstellung der Spektren oftmals von Rechten angewandt wird, um ihre Denkweise zu verwässern.
Ganz knapp kann man sagen:
- Links bedeutet nach oben treten: Solidarität, gleichmäßige Verteilung von Wohlstand und Schutz für Schwache und Minderheiten.
- Rechts bedeutet nach unten treten: Egoismus, Vorteile für die eigene Gruppe auf Kosten der Anderen und Abwerten von Anderen.
Wenn wir Frieden wollen, dann sollten wir alle mit einbeziehen. Ich will nicht sagen, dass Yoga linkes Denken impliziert, aber sicher nicht rechtes Denken! Entscheide selbst, wie Du Dich positionierst, aber lass Dich durch die Liebe leiten!
Yoga und Nationalsozialismus
Tatsächlich hat die Vermischung von Spiritualität und völkischem und rechten Denken in Deutschland Tradition, so hatte Hitler eine große Faszination für östliche Weisheitslehrern und seine Frau Eva Braun übte gerne Hatha Yoga. Es gab in den 20er Jahren eine große Begeisterung für esoterische Themen in Deutschland, nicht zuletzt durch die vielen neu übersetzten heiligen Texte aus Indien. Die nationalsozialistische Bewegung ist zum Teil aus der Theosophischen Gesellschaft (ein Bündnis von einflussreichen spirituellen Leuten) heraus entstanden und viele hochrangige Nazis kannten sich gut mit schwarzer Magie und Esoterik aus. Man kann sich Hitler auch als eine Art “schwarz magischen Priester” vorstellen, der die Massen in den kollektiven Wahn stürzte. Nicht ohne Grund hat Hitler mit dem Swastika ein zentrales Symbol des Hinduismus für seine Bewegung gewählt, heute noch hat er in Indien dadurch viele Fans, die gar keine Ahnung haben, was er alles verbrochen hat.
Hier ein Artikel von mir über das Swastika bzw. Hakenkreuz im Hinduismus.
Zum „arischen“ Yoga wurde etwa ein Abschnitt aus dem vierten Kapitel der Bhagavad Gita, in dem es um den Yoga der Erkenntnis (Jnana-Yoga) geht. Heinrich Himmler war fasziniert davon und trug die Gita ab 1941 ständig bei sich. Er gab einzelne Passagen aus dem vierten Kapitel explizit an höhere SS-Offiziere weiter, zum Beispiel in seiner Geheimrede in Posen 1943. Dazu gehörte etwa der Gedanke aus der Bhagavad Gita, dass man seine Pflicht zu erfüllen hat, ganz im Sinne des Dharma, und das man sich von seiner Tat abkoppeln soll. Angesichts des Genozids und des Krieges war es für einen Massenmörder wie Himmler eine Wohltat, in einem „heiligen“ Buch, das die Ethik der Kshatriya-Kaste propagiert, zu lesen, dass es eine erstrebenswerte Lebensaufgabe ist, aus seiner Pflichterfüllung heraus zu kämpfen und zu töten, aber sich dafür nicht verantwortlich zu fühlen, weil es um etwas Höheres, um eine höhere Ordnung geht. Himmler äußerte sich sogar dahingehend, dass es nach dem Krieg Meditationszentren geben sollte, wo die Führungskräfte des Nazireichs sich zum Retreat einzufinden hätten, um bei Schwarzbrot und Buttermilch sich meditierend selbst zu finden. Die SS sollte nicht nur eine eiskalt kämpfende und mordende Sturmstaffel sein, sondern auch ein spiritueller Orden.” Matthias Tietke
Noch ein Gedanke von mir zum Nationalsozialismus:
Ich denke, die menschenverachtenden Ideen konnten in Deutschland nur gedeihen, weil sehr viele Menschen traumatisiert waren vom 1. Weltkrieg. Wenn man von einem Trauma dominiert ist, kann man nicht mehr normal Denken und Fühlen, man verliert seine Empathie und agiert aus dem “Reptiliengehirn” heraus. So beobachte ich auch heute (Herbst 2020), dass durch die Corona-Pandemie viele Menschen retraumatisiert werden, bzw. ihre Belastungsstörungen getriggert werden, und sie sich dadurch für empathielose Denkweisen öffnen.
Rechtes Denken im Hinduismus
Das Yoga kommt aus Indien und ist aus dem Hinduismus heraus entstanden, die Yoga-Spiritualität lässt sich nicht vom Hinduismus trennen. Allerdings gibt es einen Unterschied, zwischen dem klassischen Hinduismus, der von der Purva Mimamsa Denkweise geprägt ist, und dem undogmatischen Yoga. Yoga zielt immer auf die Freiheit und hat als Kern eine universelle und allumfassende Sicht auf die Dinge. Da ist kein Platz für Kastenwesen, Misogynie, selbsterdachte Hierarchien und Trennung zwischen “Wir” und “die Andern”, das ist rechtes Denken. Wichtig ist hier zu trennen, zwischen traditionell-dogmatischen Denkweisen und dem Weg in die spirituelle Freiheit. Wir sollten keinerlei Denkweisen unhinterfragt übernehmen, sondern immer selbst überlegen: Führt es in die weite, lichtvolle Offenheit, oder wird es eng, dunkel und verschlossen.
Kastenwesen – rassistische Trennung
Im klassischen Hinduismus spielt elitäres Denken eine große Rolle, und das ist per se dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen. Wenn also durch das Kastenwesen eine Trennung zwischen “oberen” und “unteren” Gesellschaftsschichten erzeugt wird, so werden dadurch die “unteren” sozial unterdrückt. Hinzukommt noch der Reinheitsaspekt: Obere Kasten gelten als besonders sattwig, untere als tamasig. Aus humanistischer Sicht ist das Erschaffen einer solchen Segregation verwerflich, es gleicht der Idee der Apartheid. Es gibt auch Untersuchungen darüber, wie sich die Farbe der Haut in den unterschiedlichen Kasten unterscheidet, je höher die Kaste, desto weißer die Haut. So ist das Kastenwesen klar rassistisch motiviert. Die Trennung zwischen den sozialen Schichten wird dann noch massiv mit religiösen Argumenten untermauert, was die Sache noch schlimmer macht.
Ursprünglich war das Kastenwesen übrigens eine soziologische Einteilung der Gesellschaft, der Status wurde nicht auf Nachfahren übertragen, sondern richtete sich nach Vorlieben und Fähigkeiten. Mehr zum Kastenwesen in Indien findest Du in diesem Artikel.
„Weise sehen keinen Unterschied zwischen einem gelehrten und frommen Brahmanen, einer Kuh, einem Elefanten, einem Hund und einem Kastenlosen.“ Bhagavad Gita 5.18
Umgang mit Frauen – mehr als fragwürdig
Ein anderes Problem im modernen Hinduismus ist die Rolle der Frauen. Während zur vedischen Zeit die Frauen zwar in ein spezifisches Rollenbild passen mussten, wurden sie aber dennoch in ihrer Weiblichkeit von der Gesellschaft sehr geschätzt. Vor allem in tantrisch geprägten Regionen und Zeitabschnitten gab es in Indien matriarchale Ansätze, wo z.B. der Besitz einer Familie an weibliche Nachfahren weiter gegeben wurde. Im Laufe der Zeit hat sich das gewandelt und Indien wurde immer mehr patriarchal, es hat sich immer mehr rechtes Denken ausgebreitet.
Heute ist Indiens Öffentlichkeit erschreckend stark von Männern dominiert, man sieht nur sehr wenig Frauen auf den Straßen. Da Frauen es schwer haben in der indischen Gesellschaft und sie nicht soviel beitragen können zum Verdienst der Familie, ist der Anteil an Männern in der Gesellschaft etwa um 10% höher. Auch ein Problem ist der soziale Umgang mit Witwen, sie werden oftmals von armen Familien ausgestoßen. Das alles passt kaum in das Bild vom modernen Yoga, wo wir es mit einem sehr hohen Anteil von selbstbewussten Frauen zu tun haben. Hier ein Artikel mit einigen Hintergründen zu Frauen im klassischen Yoga.
“Frauen genossen in der vedischen Zeit eine weit größere Freiheit als im späteren Indien. Sie hatte bei der Wahl ihrer Partner mehr zu sagen, als die Formen der Ehe vermuten lassen. Frauen erschienen frei bei Festen und Tänzen und schlossen sich mit den Männern zu religiösen Opfern zusammen. Sie konnte studieren und sich, wie Gargi, an philosophischen Disputationen beteiligen. Wenn sie als Witwe zurückgelassen wurde, gab es keine Einschränkungen für ihre Wiederverheiratung.” Will Durant – Story of Civilization
Kurz noch zum tibetischen Buddhismus: So cool und tiefsinnig ich den aktuellen Dalai Lama finde, ist seine erhabene Position kritisch zu betrachten. Wenn eine Person die absolute weltliche und religiöse Macht in sich vereint, und ein elitärer Kreis alter Männer bestimmt, wer als Nächstes die Position einnimmt, ist das alles andere als fortschrittlich. 😉
Abschließender Appell
Aus meiner bescheidenen Sicht ist jede hier inkarnierte Seele verantwortlich für diese Welt. Wo Unrecht geschieht, sind wir gefordert, uns einzumischen! Es ist zu erwarten, dass sich die globalen Probleme weiter zuspitzen: Die Klimakatastrophe beginnt sich auf unser Leben auszuwirken, Nationalismus breitet sich weltweit aus, große Staaten rüsten auf, ehemals stabile Bündnisse von Staaten zerbröseln und uns erwartet die große Biodiversitätskrise. Daher werden sich wohl auch immer mehr Menschen nach rechts radikalisieren, im Prinzip ist das eine ego-angst Reaktion. Es ist wichtig, dem rechten Denken etwas entgegenzusetzen und klar Position zu beziehen für: Vielfalt, Solidarität, Gleichberechtigung und Umweltschutz. Um nochmals klar die Frage aus der Überschrift zu beantworten: Es passt nicht zusammen!
Versuche die Ideen des Yoga in dein bürgerliches Engagement zu implementieren!
Lasse die Liebe stets Dein Kompass sein!
Empfehlung: Seit einiger Zeit entsteht ein Netzwerk von Yogi*nis, die sich sozial engagieren wollen und klar gegen rechtes Denken in der Yogaszene vorgehen. Sicher gibt es da noch weitere solcher Aktionen, aber diese finde ich sehr gelungen:

Brauner Sumpf in der Yogaszene