Erkenne dich selbst ist die große Botschaft der Philosophie, Ziel des Lebens ist die Einsicht in die wahre Natur des Selbst. Über den Toren des Apollotempels von Delphi stehen die Worte “Gnothi seauton”, was auf Deutsch bedeutet „Erkenne dich selbst!“ die dort im 5. Jahrhundert v. Chr. angebracht wurden. Die Inder haben schon deutlich früher die Idee der Analyse des wahren Selbst gehabt und verbreitet. Natürlich gibt es viele Praxisanweisungen im Yoga die alles andere als “nichts tun” beinhalten, aber aus der Perspektive des absoluten Bewusstseins können wir rein gar nichts tun, um das Selbst zu verwirklichen, da jede Handlung im Relativen stattfindet. Das soll nicht bedeuten, dass wir uns tatenlos hinsetzen können und warten. Im Gegenteil: wir sollten tun, was zu tun ist, nur eben unsere Identifikation mit dem Handelnden transzendieren.
Im Kontext des Advaita Vedanta bedeutet “Erkenne dich selbst” die Aufforderung zur Selbsterkenntnis oder Selbsterforschung. Es geht darum, die wahre Natur des Selbst (Atman) zu erkennen und zu verstehen, dass es in Wirklichkeit identisch ist mit dem höchsten Bewusstsein (Brahman), das das Universum durchdringt. Das Advaita Vedanta lehrt, dass es nur eine absolute Realität gibt, die unteilbar und unveränderlich ist. Diese Realität wird als Brahman bezeichnet und ist das höchste Bewusstsein, das alles umfasst und durchdringt. Der Atman, das individuelle Selbst, wird als Teil von Brahman betrachtet und ist in Wirklichkeit identisch mit Brahman. Das Ziel des Advaita Vedanta besteht darin, diese Einheit von Atman und Brahman zu erkennen und zu erfahren. Daher ist die Aufforderung “Erkenne dich selbst” im Advaita Vedanta ein Aufruf zur Selbsterkenntnis und zur Erforschung des wahren Selbst. Es bedeutet, sich von den begrenzten Identifikationen mit dem Körper, dem Verstand und den Emotionen zu lösen und die unveränderliche und unteilbare Natur des Atman zu erkennen, die mit Brahman identisch ist.
Also: Erkenne dich selbst!
Transkribierter Vortrags: Erkenne dich selbst
Der große spirituelle Lehrer, der ja gar keiner sein wollte, Jiddu Krishnamurti hat mal gesagt, so sinngemäß:
“Du kannst nichts tun, um das höchste Ziel zu erreichen, aber wenn du nichts tust, wirst du es nicht erreichen.”
Aber was meint er damit?
Also das höchste Ziel, so die Lehre des Yoga bzw. die Lehre des Vedanta ist ja, dass wir die Wahrheit erkennen, dass wir das realisieren, was wir eigentlich sind. Also wir gehen davon aus, dass wir normalerweise in einem Zustand sind, wo wir unwissend sind und uns nicht darüber bewusst sind, was die wahre Natur unseres Selbst ist, bzw. dass wir in unseren falschen Konzepten und Vorstellungen uns verheddert haben und ja: eine völlig falsche Idee davon haben, was wir eigentlich sind. Und daraus resultieren eben all unsere Probleme.
Also Ziel des Yoga ist, dass wir die Unwissenheit überwinden, dass wir die falschen Vorstellungen, die Illusion überwinden und das erkennen, was tatsächlich wahr oder wirklich ist. Und nur diese reine Erkenntnis. Der Wahrheit wird uns frei machen. So wie die alten Griechen ja auch schon gesagt haben
“Die Wahrheit wird euch frei machen.”
Nein, das war die Bibel. Da gab es diesen Wahlspruch über diese hier, die Wahrheit wird euch frei machen. Das ist aus dem Neuen Testament. Und es gibt diesen Spruch von den vom Orakel von Delphi. Der steht über der Tür.
“Erkenne dich selbst!”
Und so ist das eben das, worum es geht. Dass wir das erkennen, was wir in Wirklichkeit sind. Und das heißt, wir können die Wirklichkeit so lassen, wie sie ist. Es kommt nur darauf an, sie zu erkennen. Also man kann sagen, Erleuchtung ist vielmehr ein Prozess des Offenlegens der Wahrheit, als dass es irgendwie eine besondere Erfahrung ist. Denn Erfahrungen kommen und gehen. Erfahrungen und Zustände unseres Bewusstseins sind vergänglich und. Die dauerhafte Befreiung ist eben eine Erkenntnis.
Und so ist alles, was wir tun, Teil der Illusion bzw. Teil der relativen Ebene, in der wir uns verheddert haben. Und wir können innerhalb dieser relativen Ebene oder der scheinbaren Wirklichkeit nichts tun, was uns dahin bringt, die tatsächliche Wirklichkeit zu erkennen. Das klingt jetzt kompliziert. Ist es auch.
Also, wir können so ein bisschen unterscheiden zwischen einer absoluten Ebene. Also auf der absoluten Ebene sind wir alle eins und auf der absoluten Ebene sind wir bereits das Selbst. Und auf dieser absoluten Ebene gibt es nichts zu tun, weil wir sowieso immer mit eins mit allem sind und nicht getrennt sind von Gott. Aber auf der relativen Ebene, in der wir eben alle stecken, fühlen wir uns unvollständig und haben das Gefühl, es fehlt etwas oder wir müssen noch etwas erreichen. Oder anders gesagt: Wir nehmen uns als getrennt von Gott wahr und streben nach Einheit.
Zurück zu diesem Zitat. Krishnamurti sagt Wir können nichts tun, um das höchste Ziel zu erreichen. Also. Selbst die beste Yogapraxis. Und selbst wenn wir drei Stunden auf dem Kopf stehen und uns noch so anstrengen, selbst wenn der Dalai Lama persönlich uns ein heiliges Mantra überreicht, keine Handlung kann uns dahin führen, dass wir das erkennen, was wir bereits sind, sondern. Jede Handlung ist immer Teil dieser relativen Ebene. Jeder Gedanke, jede. Jedes Gefühl. Alles, was ich tue, in dieser relativen Ebene passiert eben auch nur in dieser relativen Ebene.
Erkenne dich selbst, aber versuche nicht es zu erzwingen
Aber auf der anderen Seite sagt Krishnamurti ja auch: wenn du nichts tust, wirst du es nicht erreichen. Also. Obwohl wir nichts Konkretes tun können, um das höchste Ziel zu erreichen, müssen wir uns dennoch anstrengen und bemühen und müssen wir dennoch schauen, dass wir uns immer weiter dahin bewegen, dass wir uns von dieser Illusion lösen, auf dass wir irgendwann erkennen, was wir wirklich sind. Aber es gibt keine konkrete Handlung, die uns da hinführen wird, sondern: Es ist letztendlich ein Akt der Gnade.
Jedes Sadhana, jede spirituelle Praxis ist im Grunde genommen ein sich öffnen für diese Gnade. Also jede spirituelle Praxis hilft uns, uns von unseren Blockaden zu lösen und uns weiterzumachen. Aber sie kann uns nicht letztendlich dahin führen, sondern sie kann uns nur darauf vorbereiten oder dafür öffnen, dass es (also der Prozess Erkenne dich selbst) dann irgendwann von selbst passiert bzw. aus Gnade heraus. So wie wir eben auch einen Grashalm nicht zum Wachsen zwingen können. Wir können nur dafür sorgen, dass der Boden ideal ist und dass gedüngt ist und dass Wasser da ist und dass Sonnenlicht da ist. Aber wachsen muss der Grashalm von alleine. Und genauso können wir auch nicht in dieses höchste Bewusstsein, in diese Erkenntnis des Selbst hinein uns zwingen, sondern das passiert irgendwann aus Gnade.
Also spirituelle Praxis ist ganz entscheidend und wichtig. Aber es gibt keine spirituelle Praxis, die uns zum Ziel führt, sondern die spirituelle Praxis öffnet uns nur dafür, dass wir irgendwann dieses Ziel durch die göttliche Gnade erreichen. Wahrscheinlich habe ich euch mit meinen Worten jetzt noch mehr verwirrt, als ihr vorher schon wart. Aber entscheidend ist, was ich sagen möchte. Man hat oft auf dem spirituellen Weg so den Wunsch, irgendwie jetzt den ultimativen Weg zu finden oder die ultimative Meditationstechnik oder das beste Mantra. Oder den idealen Meister, der uns zum Ziel führt, den den heiligen Guru, der uns die Arbeit dann abnimmt. Aber das gibt es nicht, denn wir müssen diese Arbeit selbst tun. Wir müssen selbst uns von unseren Blockaden lösen. Und da hilft uns kein Mantra bei und kein Guru, sondern das können wir nur alleine machen.
Das Mantra, der Guru, die spirituelle Praxis, das sind Unterstützungen, die wir bekommen. Aber wir kommen nicht drumherum, dass wir an uns selbst arbeiten und. Ja, auch wenn wir die Hoffnung haben, dass es irgendwie vielleicht doch irgendwann leicht wird. Das wird es sicherlich. Aber wir kommen nicht drumherum, eben zu arbeiten und uns voranzubewegen. Und immer wieder zu gucken. Was können wir jetzt tun, um weiterzukommen? Und es verändert sich eben im Laufe der Zeit. Wir haben im Yoga zum Beispiel die sechs Yoga Wege. Und das verändert sich im Laufe des Yoga Weges, welche Schwerpunkte man dort setzt. Und es ist wichtig, dass wir eben schauen, dass wir an verschiedenen Ebenen gleichzeitig arbeiten.
Das wir nicht aufgeben. Denn das Schwierige beim Yoga weg ist, dass man den tatsächlich auch zu Ende geht! Ein paar Jahre Yoga praktizieren, sich mit den Dingen beschäftigen. Da merkt man, dass sich was verändert. Aber dann gibt es Zeiten, mitunter Jahre, wo man das Gefühl hat, es geht nicht weiter. Und da wird es dann umso wichtiger, trotzdem weiterzumachen, weil. Nur, wenn wir aufhören. Weiterzumachen. Dann schreiten wir auch ein. Wir schreiten eigentlich immer voran. Das ist alles so kompliziert. Jedenfalls ist es wichtig, dass wir nicht aufgeben, sondern immer weitermachen. Denn das Yoga ist eben ein Lebensweg. Erkenne dich selbst!