Die Göttin Saraswati ist als Teil der Tridevi im Hinduismus zuständig für Lernen, Muse und Weisheit, sie ist die Gemahlin und Shakti des Schöpfergottes Brahma. Übrigens: Es gibt im Sanskrit kein “w”, sondern nur ein”v”. Ich verwende hier aber die vereinfachte Form des Namens, so wie meistens in diesem Blog.
Mutter der Veden
Sie wird als die “Mutter der Veden” bezeichnet und sie wird insbesondere angerufen, um unterstützt zu werden beim Lernen und kreativ zu wirken. Sie gilt als Erfinderin der Sprache und der Schrift, sie hat Sanskrit und Devanagari entwickelt. Musikinstrumente werden in Indien gerne als Manifestationen der Göttin betrachtet und entsprechend geht mit ihnen um.
Die männliche Trimurti (Trinität der Götter) sind Brahma, Vishnu und Shiva und sie stehen für Schöpfung, Existenz und Vergänglichkeit. Die weiblichen Gegenpole dieser drei bilden die Tridevi: Saraswati, Lakshmi und Parvati. Saraswati gibt es auch im Jainismus und Buddhismus und sie ist auch außerhalb Indiens zu finden in Myanmar, Vietnam und Bali, in Tibet ist sie als Manjushri bekannt, in Japan als Benzaiten. Sie ist nicht nur die Frau des Schöpfergottes Brahma, sondern auch seine Tochter, dies ist einer der Gründe dafür, dass Brahma nicht verehrt wird!
Zur der Göttin Lakshmi soll Saraswati ein angespanntes Verhältnis haben. Zum einen, weil sie beide als Partnerinnen von Vishnu genannt werden, zum anderen auch philosophisch: Weisheit und Reichtum stehen nunmal im Konflikt.
Die Göttin ist auch ein Beiname für besimmte Entsagte im Hinduismus. Es gibt 10 verschiedene Orden von Swamis, die im Beinamen erkennbar sind, Swami Sivananda Saraswati gehört z.B. dem Orden der gleichnamigen an, hingegen Swami Yogananda gehört zum Orden der “Giri”.
Der Name der Göttin
Der Name Saraswati bzw. Sarasvatī (सरस्वती) setzt sich zusammen aus den beiden Wurzeln
- Sāra (सार) – “Essenz”
- Sva (स्व) – “Eigene”
Der Name bedeutet somit kurz “Eigener Kern” oder “Essenz des Selbst” und lässt sich nach dieser Interpretation übersetzen mit “jenige die zur Erkennntis des Selbst führt”. Eine andere plausible Ableitung des Wortes wäre von:
- surasa (सुरस)
- vati (वति)
Was übersetzt bedeutet: “jenige, die viel Wasser enthält” oder auch “Überfließen”. Diese Bedeutung weist auf den altertümlichen Fluss gleichen Namens im heutigen Pakistan hin, der vor etwa 5000 Jahren ausgetrocknet ist. Der Fluss wird, ähnlich wie der Ganges mit der Göttin Ganga Ma, häufig mit der Göttin gleichgesetzt. Mehr dazu unten.
Weitere Namen der Göttin sind:
- Brahmani – Kraft Brahmas
- Brahmi – Göttin der Wissenschaft
- Bharadi – Göttin der Geschichte
- Vani – mit der schönen Stimme
- Vak – das Wort
- Vakdevi – Göttin des Wortes
- Varnesvari – Göttin der Buchstaben
- Kavijihvagravasini – die sich auf der Zunge des Poeten manifestiert
- Mahavidya – die große Weisheit
- Jagaddhatri – Herrin der Welt
“Purusha wurde als Brahma, Vishnu und Shiva personifiziert, während Prakriti als Saraswati, Lakshmi und Shakti personifiziert wurde.” Devdutt Pattanaik
Moksha Mantra von Saraswati
Es gibt vele Mantras die sich an die Göttin Saraswati richten, das machtvollste und wichtigste ist dieses kurze Moksha Mantra:
- oṃ aiṃ sarasvatyai namaḥ
-
ॐ ऐं सरस्वत्यै नमः
“Mit labender Flut eilte sie voraus; Sarasvati ist ein Bollwerk und eine eherne Burg. Wie auf einer Fahrstraße zieht der Strom dahin, indem er durch seine Größe alle anderen Gewässer fortreißt.” Rig Veda 7.95.1
Der Fluss
Im Mahabharata wird erwähnt, dass der Fluss ausgetrocknet sei bzw. er sich in eine Wüste verwandelt habe. Es ist tatsächlich unklar, wo dieser Fluss vor über 4000 Jahren existiert hat. Allgemein wird vermutet, der Fluss sei im Gebiet des heutigen Pakistan geflossen. Eine andere Theorie besagt, der Fluss sei im Gebiet des heutigen Rajastan, Haryana und Punjabi geflossen. Eine weitere Theorie besagt, der Fluss sei im heutigen Afghanistan beheimatet, dort gibt es einen Fluss Namens “Haraxvati”.
Unsichtbarer Fluss
In der Indischen Mythologie wird geglaubt, es gibt den unsichtbaren Fluss Saraswati. Dieser entspringe sichtbar im Himalaya oberhalb von Badrinath und wird dann unsichtbar bzw. feinstofflich bis Prayag bzw. Allahabad in Uttar Pradesh. Rechts im Foto ein Bild des sichtbaren Teils des Flusses, welches ich 2010 in Badrinath gemacht habe. Prayag ist einer der heiligsten Orte Indiens, es fließen grob stofflich gesehen die heiligen Flüsse Yamuna und Ganga zusammen. Der etherische Saraswati kommt hinzu und vereinigt sich mit den beiden großen Flüssen. Tatsächlich trägt der Fuß nach der Konfluenz am “Triveni Sangam” mehr Wasser als die Addition der beiden Flüsse. Dieser Zusammenfluss ist auch ein Symbol für den Kundaliniprozess, Ida und Pingala werden vereint und die dritte Kraft kommt hinzu.
“Folgt diesem Lobgesang von mir, Ganga, Yamuna, Sarasvati,…” Rig Veda 10.75.5
“Wer dort badet und trinkt, wo sich die Gangā, Yamunā und Sarasvati wird die Befreiung erreichen befreien. Darüber besteht kein Zweifel.” Padma Purana
Auch ein bestimmter Teil der Milchstrasse, die in der Hindu-Mythologie als ursprünglicher Wohnort der Göttin Ganga betrachtet wird, trägt den Namen der Göttin.
Älteste Quellen
Die Göttin wird bereits im Rig Veda, dem ältesten Text des Hinduismus, häufig und lobend erwähnt. In allen 10 Mandalass des Rig Veda außer im 4. taucht die Göttin auf.
“Beste Mutter, bester Fluß, beste Göttin Sarasvati, wir fühlen uns geehrt; schaff uns Ehre, o Mütterchen!” Rig Veda 2.41.16.
Hier wird auch direkt die Gleichsetzung von Fluss und Göttin betont. Eine weitere prominente Stelle im Rig Veda findet sich im 10 Kapitel, hier wird sie angerufen um Opferrituale zum Erfolg zu führen.
- “Sarasvati rufen die Gottverlangenden an, die Sarasvati, während die heilige Handlung vollzogen wird. Die Sarasvati riefen die Frommen, Sarasvati möge dem Opferspender Wünschenswertes geben.”
- “O Sarasvati, die du auf gleichem Wagen gekommen bist mit den Vätern nach eigenem Ermessen dich ergötzend, o Göttin, setze dich auf dieses Barhis und schwelge und gewähre uns Speisegenüsse, die keine Krankheit bringen.”
- “Sarasvati, die die Väter anrufen, von rechts zum Opfer antretend, gib du dabei den tausendwertigen Teil der Opferspende, gib den Opfernden Zunahme des Reichtums!” Rig Veda 10.17.7-8
Im weiteren Verlauf des Textes wird sie bereits mit den ihr zugewiesenen Attributen beschrieben:
- “…so soll Sarasvati dem Sänger solche Kraft bringen.” Rig Veda 10.30.12
- “sie und Sarasvati, die drei kunstfertigen Göttinnen…” Rig Veda 10.110.8
Auch für Xenophobe ist sie geeignet, wobei dieser Vers natürlich im historischen Kontext zu betrachten ist und es nicht einfach um Fremde geht, sondern um Feinde.
“Sarasvati, die die Fremden abwehrt, möchten wir mit Lobliedern, mit Gebeten zur Gnade erbitten.” Rig Veda 6.61.2
Im Samaveda wird gesagt:
“Sarasvati, die Göttin des Wissens ist des Lobpreises würdig.”
Saraswati in den Puranas
Das Markandeya Purana enthät die legendäre Hymne an die Göttliche Mutter, das Devi Mahatmyam richtet sich auch an Saraswati:
“Ich meditiere über Mahasaraswati, der Unvergleichlichen, die in ihren acht Händen, die einer Lotusblüte gleichen, Glocke, Dreizack, Pflug, Muschel, Zepter, Wurfscheibe, Pfeil und Bogen hält; die in ihrem Glanz erstrahlt so wie der Mond durch eine Wolke schimmert, die die Vernichterin von Sumbha und anderen Asuras ist, die dem Körper Parvatis entströmte und die den Grundstoff der drei Welten bildet.” Devi Mahatmya
Im Brahmanda Purana steht sehr schön geschrieben:
“Du sollst vor allem auf den Zungen der gelehrten tanzen!” Brahmanda Purana, Kapitel 43
Kennzeichen der Saraswati
Ebenso wie die Göttin Lakshmi wird auch sie oft auf einem Lotus sitzend abgebildet. Oft wird sie auch reitend auf einer Gans oder einem Schwan dargestellt, manchmal auch auf einem Pfau. Sie hat 4-10 Arme in denen sie verschiiedene Gegenstände hält und Handgesten (Mudras) macht. Immer hat Saraswati ihre Vina in der Hand, es ist ein uraltes Saiteninstrument und es steht Symbolisch für die Muse.
Oft sieht an sie dann noch mit weiteren Elementen:
- Mala – die Gebetskette steht für Konzentration
- Buch – steht für Weisheit
- Wassertopf – steht für die Reinheit
Weitere Gegenstände trägt sie je nach Darstellung.
Saraswati Stotram
Die erste Strophe des Saraswati Stotram des Rishi Agastya wird in der Yogatradition von Swami Sivananda häufig rezitiert, als dritte Strophe der “Dhana Shlokas” wird sie besonders von Swami Vishnu empfohlen:
yā kundendu tuṣārahāradhavaḷā yā śubhravastrāvṛtā
yā vīṇāvaradaṇḍamaṇḍitakarā yā śvetapadmāsanā |
yā brahmācyuta śaṅkaraprabhṛtibhirdevaissadā pūjitā
sā māṃ pātu sarasvatī bhagavatī niśśeṣajāḍyāpahā
“Weiß wie Jasmin, Schnee, der Mond oder Perlenketten, angezogen mit weißer Kleidung, die Hand geschmückt mit dem Hals der besten der Vīṇās. Deren Sitz ein weißer Lotus ist, die durch die Götter Brahmā, Viṣṇu, Śiva usw. stets verehrt wird- diese ehrwürdige Sarasvatī soll mich schützen, welche die Dumpfheit restlos beseitigt.”