Die Geschichte vom Quirlen des Milchozeans, im Sanskrit “Samudra Mathan” ist eine der alten Mythen der Inder, die vor der uns bekannten Entstehung der Welt spielt. Es ist eine Geschichte von Göttern und Dämonen die gegeneinander kämpfen, so wie es im Hinduismus oft um das ewige Spiel von Gut und Böse geht. Eine der wesentlichen Geschichten der Indischen Mythologie und eben auch eine der Grundlagen zum Verstehen des Hinduismus ist diese uralte Geschichte vom Quirlen des Milchozeanes “Samudra Manthan”. Viele der Mythen Indiens haben in ihrem Ursprung mit dem Quirlen des Milchozeans zu tun und wir finden dieses Ereignis in einigen Quelltexten des Hinduismus, vor allen in den Puranas wie z.B. dem Shrimad Bhagavatam. In diesem Vortrag erzähle ich die Geschichte mit einigen Hintergründen dazu auf humorvolle Weise.
Wie die Götter den Milchozean quirlten
Solche Mythologischen Geschichten helfen bestimmte Aspekte des Seins zu verinnerlichen und die Phantasie anzuregen. Nüchtern gesagt hat sich die Welt aus dem Klang heraus manifestiert und verfeinert. Die Inder glauben an eine Evolution in spiralförmigen Zyklen, in denen die verschiedenen Zeitalter sich zwischen kosmischen Tagen und Nächten abwechseln. Basierend auf diese Geschichte bauen sich viele weitere Mythen des Sanathana Dharma (=Hinduismus) auf.
Die klaren Philosophischen Weisheiten die wir heute als Yogaphilosophie ergoogeln können, waren traditionell nicht so einfach zugänglich, für das einfache Volk waren eher solche bunten Geschichten Inhalt der Religiösität. In der Geschichte vom Quirlen des Milchozeans tauchen viele wichtige Aspekte der Mythologie auf, und es lassen sich tiefe spirituelle Weisheiten davon ableiten. Es finden sich mehrere Quellen für das Samudra Manthan, so zB. in der Mahabharata und dem Ramayana Epos und auch einigen der Puranas. Einige Historische Orte in Indien zeugen von dieser Geschichte, so zB der Nilakantha Tempel bei Rishikesh.
Quirlen des Milchozeans Schöpfungsmythos des Hinduismus
Hier noch eine zweite Variante der Geschichte. Zwischen den beiden Aufnahmen liegen einige Jahre, so ändern sich dann auch einige Details.
Der Ozean aus Milch
…auch bekannt als der Kshir-Sagar, ist ein Symbol für die Unendlichkeit, in der das Göttliche verankert ist und die unterschiedlichen Realitäten miteinander verbunden sind. Im hinduistischen Glauben hat der Ozean aus Milch eine herausragende Bedeutung, da er als Quelle alles Lebens angesehen wird. Wenn die Götter und Asuras beim Quirlen des Milchozeans der hinduistischen Mythologie aufeinander treffen, quirlen sie den Ozean aus Milch ein, um eine unerschöpfliche Quelle an Weisheit, Kraft und Energie zu finden. Der Ozean aus Milch ist ein Symbol für die Einheit und den Fluss des Lebens, die grundlegende Eigenschaften des Schöpfers und die Befreiung von der menschlichen Unzulänglichkeit.
Samudra Manthan
…ist eine wichtige Episode in der hinduistischen Mythologie. Dem Epos Mahabharata zufolge handelt es sich um einen Prozess, bei dem die Götter und Dämonen den Milchozean durch Quirlen umwandelten, um das Elixier der Unsterblichkeit zu erhalten. Für das Umwälzen wurde der Berg Mandarachal (unterschiedliche namen werden verwendet) als Quirl und Vasuki, der König der Schlangen, als Umwälzseil verwendet. Während des Quirlens kamen verschiedene Objekte und Kreaturen zum Vorschein, darunter die Göttin Lakshmi, Kamadhenu (die göttliche Kuh) und die Apsaras (die himmlischen Nymphen). Bei der Verwirbelung entstand auch das tödliche Halahala-Gift, das schließlich von Lord Shiva verzehrt und neutralisiert wurde. Das Umwälzen des Milchozeans wird oft als Metapher für den Schöpfungsprozess gesehen, der in der hinduistischen Mythologie und Kunst häufig dargestellt wird.
Aus dem Mythos vom Quirlen des Milchozeans sind viele weitere wichtige Mythen entstanden, so z.B.:
- Kumbha Mela – das größte Fest der Welt
- Kurma Avatar – eine der Inkarnationen des Vishnu
- Kalpavriksha – Der Wunschbaum
- Lakshmi – Die Göttin der Schönheit und der Fülle
- Dhanvantari – Der Gott des Ayurveda
- Hala Hala – das giftigste Gift
- Nilakantha – Shiva mit blauer Kehle
- Chandra – der Mondgott
- Kaushtuba – der wertvollste Juwel
- Tulsi – die göttliche Basilikumpflanze
- Durvasa – der cholerische Rishi
- Varuni – die Göttin des Weines
- Kamadhenu- die wunscherfüllende Milchkuh, taucht auch in der Geschichte des Gayatri auf.
- Rahu- die Legende von Sonne und Mond Finsternissen
- Mohini – Vishnu in Gestalt einer schönen Frau
Transkription eines anderen Vortrags zum Quirlen des Milchozeans
Ich möchte gerne eine kleine Geschichte erzählen, und zwar eine der grundlegenden Geschichten der indischen Mythologie. Diese Geschichte finden wir in verschiedenen klassischen indischen Texten, in verschiedenen Varianten. Und die ganze Geschichte fängt an mit der heiligen Anusuya. Durch irgendwelche Umstände, die für diese Geschichte keine große Rolle spielen, hatte sie während ihrer Schwangerschaft irgendwie den Zorn von Brahma auf sich gezogen. Also irgendwie war der Brahma wütend auf sie und hat seine ganze Wut irgendwie auf sie gerichtet und dadurch ist das Kind, was sie zur Welt gebracht hatte, der hieß Durvasa, etwas cholerisch. Durvasa ist ein ganz wichtiger von den alten Rishis, von den alten Waisen Indiens, die die Grundlage für den Hinduismus gesetzt haben. Und der war eben berühmt für seine aufbrausende Art. Der Name Durvasa bedeutet auch “der, mit dem es schwer auszuhalten ist”. Und dieser Durvasa, der taucht in verschiedenen Geschichten auf und er ist ein Einzelgänger, wie man sich denken kann und er eckt eben öfter hier und da an, aber eben einer, der eine ganz hohe Verwirklichung erreicht hat. Denn erleuchtet sein heißt ja nicht, dass man seine komplette Persönlichkeit nicht mehr hat, sondern es heißt nur, dass man nicht mehr damit identifiziert ist!
Eines Tages: dieser Durvasa saß der auf seinem Platz und meditierte und dann kam der Gottkönig Indra vorbei. Indra, König der Götter, großer, stolzer König der Götter, der für verschiedene Sachen verantwortlich ist, ritt auf seinem Elefanten an Durvasa vorbei. Durvasa war immer bemüht freundlich zu sein, hat eine Blumengirlande gehabt, die er vor Anerkennung eben Gott Indra darbringen wollte und das hat er getan und Gott Indra bedankte sich, nahm diese Blumengirlande und hat sie dann seinem Elefanten auf den Kopf gelegt. Der Elefant hat sich irgendwie geschüttelt, die Blumengirlande fiel auf den Boden und der Elefant aus Versehen oder bewusst, wissen wir nicht, jedenfalls er zertrampelte diese Blumengirlande und dann wurde der Durvasa sauer und hat dann den Indra verflucht und hat gesagt “Indra, du wirst deutlich an Kraft verlieren und auch deine ganzen Anhänger.” Die ganzen Anhänger, das waren die ganzen Devatas, die ganzen Götter. Und durch diesen Fluch des cholerischen Durvasa, haben die Götter dann ganz viel an Kraft verloren und die Dämonen oder die Asuras haben dadurch natürlich an Macht gewonnen. Und vieles von diesen alten mythologischen Geschichten dreht sich immer darum, dass die Guten gegen die Bösen kämpfen oder irgendwie in Zwistigkeiten sind.
Die Dämonen gegen die Lichtwesen, ähnlich wie in modernen Filmen, Star Wars und so weiter, da geht es ja auch immer nur um die dunkle und die lichtvolle Seite. Jedenfalls: Die Dämonen haben dann wieder Überhand genommen und die Götter mussten dagegen etwas tun, denn das ist auch die Aufgabe der Götter, so das Gleichgewicht zu bewahren und zu schauen, dass die nicht zu stark werden. Die Götter haben mehr und mehr an Kraft verloren und sie wussten nicht, was sie tun sollten. Und dann sind sie zu einem der drei großen Götter gegangen, die drei großen, das sind ja Brahma, Vishnu und Shiva. Und dann sind sie zu Brahma gegangen, die wussten gar nicht, dass der eigentlich verantwortlich war, dadurch, dass er dafür gesorgt hat, dass der Durvasa so cholerisch wird. Aber jedenfalls haben sie den Brahma gefragt, was sie machen können, um wieder zu Kraft zu kommen und wieder die Dämonen zu schlagen. Und Brahma hat gesagt, ja, was ihr machen könnt, ihr lieben Götter, ihr könnt euch den Nektar der Unsterblichkeit besorgen. Und die Götter haben sich gedacht, ja, das klingt gut, der Nektar der Unsterblichkeit, den wollen wir haben. Wie können wir den denn kriegen? Und Brahma hat denen dann gesagt, wie sie das kriegen und das ist etwas, was nicht leicht zu bekommen ist, dieser Nektar der Unsterblichkeit.
Dazu musste nämlich, und das hat Brahma dann erklärt, musste der große Milchozean, das ist also eine Sphäre irgendwo in astralen Welten, der muss gequirlt werden. Und durch das Quirlen des Milchozeans verwandelt sich die Materie, die Substanz und es entsteht daraus eben dieser Amrita, dieser Nektar der Unsterblichkeit. Gut, ja wie können wir denn diesen Milchozean quirlen, haben sich die Götter gefragt und haben nachgehakt und der Brahma hat es denen dann erklärt. Und zwar, man nehme einen Berg. Und zwar nicht irgendein Berg, sondern den Berg Mandara (oder Manu). Der Berg Mandara ist ein ganz riesiger Berg. Er gilt auch als die zentrale Achse des Universums, dieser Berg. Und man nehme eben diesen Berg und dann die Schlange Vasuki, Entschuldigung, die Schlange Vasuki, das ist eine riesengroße Schlange. Und die bindet man um diesen Berg herum, sodass zwei Enden an beiden Seiten sind und dann braucht man viele starke Leute, um an beiden Enden jeweils abwechselnd zu ziehen und so diesen Berg zu drehen und dadurch durch diesen Milchozean zu quirlen. Aber, hat Brahma gesagt, das funktioniert nur, wenn ihr mit den Dämonen zusammenarbeitet. Ihr müsst auf einer Seite stehen, die Dämonen auf der anderen Seite und dann müsst ihr im Hauruckverfahren abwechselnd eben ziehen, sodass der Berg gedreht wird und das Quirlen des Milchozeans geschieht.
Und der Berg, der darf auch nicht absinken im Meer. Und die Götter haben sich also vorbereitet, haben mit den Dämonen gesprochen, die waren parat und haben gesagt, wir machen mit, wir wollen auch diesen Nektar haben, alles klar, das machen wir. Und jetzt haben wir nur das Problem, wie schaffen wir es, dass dieser Berg nicht absinkt. Und dann haben sie kurzerhand Vishnu gefragt, der ja noch ein bisschen mehr Kräfte hat als eben Brahma und haben gefragt, Vishnu, was können wir tun? Wir sind hier eigentlich parat, um loszulegen mit dem Quirlen des Milchozeans. Aber wir müssen irgendwie was haben, dass der Berg nicht absinkt. Und der Vishnu hat gesagt, kein Problem, ich inkarniere mich mal eben als Schildkröte. Das ist die, ich glaube, die vierte Inkarnation oder so von Vishnu und er ist dann als Schildkröte inkarniert und unter den Berg getaucht und hat den Berg abgestützt, sodass dann mit der Schlange Vasuki die Dämonen und die Götter zusammen an diesen Berg ziehen können, damit der ordentlich gequirlt wird und dann dieser Nektar der Unsterblichkeit daraus wird. Gut, gesagt, getan: die Götter auf der einen Seite, die Dämonen auf der anderen Seite, der Berg in der Mitte, die Schlange Vassuki drumherum, die Kuma Avatar, die Schildkröte, Vishnu unten drunter. Und dann legten die los, die Dämonen und die Götter und haben abwechselnd gezogen an der Schlange, also das habe ich mir nicht ausgedacht.
Das ist wirklich eine Geschichte, die so in den heiligen Texten steht. Also, die zogen an beiden Seiten und quirlten, was das Zeug hält und irgendwann fing dann tatsächlich an, diese schäumende Masse des Milchozeans sich irgendwie zu verwandeln und als Erstes stieg aus dieser Quirl Aktion heraus ein Gift auf. Und nicht irgendein Gift, sondern das Gift “Halla Halla”. “Halla Halla” ist das giftigste Gift, was es gibt. Halla Halla ist so potent in seiner Giftigkeit, dass es das ganze Universum vernichten kann. Und jetzt standen die da, die Götter und die Dämonen, und die haben durch diese Quirlaktion eben Hala Hala erzeugt! (hier endet zzt die Transkription)
Im 32. Vers der Hatha Yoga Pradipika heißt es übrigens:
„Mayurasana verdaut mit Leichtigkeit unmäßig und durcheinander eingenommenes Essen und verwandelt sogar das schreckliche Gift Hala Hala zu Asche.“