Shiva ist einer der großen Götter des Hinduismus und gehört zur Trinität des Indischen Götter Pantheons.
Steht für Transzendenz & Transformation
So wie alles in der Schöpfung entsteht, existiert und wieder vergeht, gibt es die Entsprechung bei den Göttern mit Brahma, Vishnu und Shiva, also Schöpfer, Erhalter und Zerstörer. Wobei “Zerstörung” bösartig klingt, es ist hier jedoch der positive Aspekt dessen gemeint, besser zu sagen wäre Transzendenz. Er steht also vor allem für das Transzendente, das Jenseitige, er steht für das Prinzip des Beendens, damit etwas neues entstehen kann.
Der Name
Wobei natürlich trotz der vielen Götter klar sein sollte, dass es eigentlich nur einen Gott gibt, der aber je nach Aufgabe unterschiedliche Namen, Formen und Eigenschaften annimmt. Der Name bedeutet wörtlich “der Gütige, Wohlwollende” und er verkörpert den Aspekt der Stille, des Rückzuges, der Meditation, der Askese und des Bewusstseins jenseits aller Eigenschaften.
“Das Eine wird Shiva genannt, Das Strahlende Eine. Immer-frei, ohne Tod oder Untergang, Er ist das höchste Ziel der Befreiten. Alles ohne Hilfe oder Instrument beobachtend, Fortwährend, unbewegbar und unveränderlich, Er ist der Ursprung aller Existenz, das Eine, das durch Yoga erfahrbar ist.”
aus dem Vishnu Sahasranama
Grundsätzlich können wir sagen, dass Gott bzw. das Göttliche jenseits aller Namen, Formen und Eigenschaften ist, aber dem Menschen in konkreten Namen und Formen erscheinen kann.
- Zum einen hat Er einen persönlichen Aspekt, also er ist eine wesenhafte, persönliche und konkrete Form Gottes mit Eigenschaften, so wie es viele andere Namen & Formen des Göttlichen gibt, diese vielen Formen weisen als Ishwara (Gott mit Eigenschaften) auf Brahman (Gott jenseits aller Eigenschaften) hin.
- Zum anderen steht Er in der Tantra- Philosophie aber auch für das eigenschaftslose, absolute, unendliche und unbeschreibliche Bewusstsein ohne Name und Form. Also quasi für das, was im Vedanta “Brahman” genannt wird.
In der Indischen Spiritualität bzw. im Hinduismus gibt es drei große Strömungen oder Richtungen:
- Die Vaishnavas verehren den Erhalter des Universums Narayan, Hari bzw. Vishnu als das Höchste, auch in Formen wie Krishna oder Rama.
- Die Shaktas verehren das Prinzip der Göttlichen Mutter Beispielsweise als Saraswati, Laxmi, Parvati, Kali oder Durga als das Höchste.
- Und dann gibt es eben die Shaivas, die Shivaji als das Höchste Verehren.
Alle drei Strömungen Leben ihr Bhakti (Hingabe) an “das Eine” welches verschiedene Formen annimmt.
Wie dem auch sei, alle Wege führen letztlich zum selben Ziel, jeder muss selbst schauen welcher Weg sinnvoll erscheint. In der Tradition von Adi Shankaracharya, in der ich Yoga lerne und lehre, wird das Göttliche in allen Namen und Formen verehrt. Sozusagen wird Gott integral interpretiert, also sowohl als Brahman, das eigenschaftslose Absolute, als auch als Ishwara, Gott mit Eigenschaften, in all seinen verschiedenen Namen und Formen.
Zu vedischen Zeiten als Rudra bekannt
Er wurde bereits vor Urzeiten verehrt. Es gibt Ausgrabungen z.B. im Nordindischen Mohenjo-Daro wo man Darstellungen von Rudra (dem Proto- Shiva) pzw. Pashupati gefunden hat, die wohl über 5000 alt sind. Rudra ist die archaische Form, die auch im Rigveda häufig genannt wird. In diesem ältesten Text der Inder wird Rudra als souveränder Herrscher der Welt bezeichnet (Rig Veda 2.33.9). Allerdings wird Er eher selten in den vedischen Texten benannt, da zur vedischen Zeit eher andere Götter populär waren. Tatsächlich wird das Wort “Shiva” bei den Beschreibungen Rudras im Rigveda bloß als Adjektiv verwendet.
Die Vorstellungen und Konzepte des Göttlichen haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. So wurden in der vedischen Zeit vor über 3,5oo Jahren noch eher Naturkräfte als Gott verehrt wie z.B.
- Agni – der Feuergott
- Vayu – der Windgott
- Surya – der Sonnengott
Ist Rudra = Shiva?
Es bleibt unklar ob Es sich beim vedischen Gott Rudra tatsächlich um Shivaji handelt, oder ob die Wurzeln eher der dravidischen Kultur zuzurechnen sind. Bereits vor Christi Geburt sind die beiden großen Strömungen, die Dravidische und die Vedische miteinander verschmolzen.
Auch hatte das Göttliche eher etwas Furcht einflössendes und wildes an sich. So wurde in den Veden nicht “Shiva” benannt, was übersetzt “der Gütige” bedeutet, sondern Rudra-“der Heulende oder Brüllende”.
Hier ein Beispielvers zu Rudra aus dem RigVeda:
“Wir rufen den funkelnden Rudra, den Opferfüller, den fliegenden Seher zur Gnade herab. Weit weg von uns soll er den göttlichen Zorn senden; seine Gunst nur erbitten wir.” RV 1.114.4.
Der Gott erscheint auf viele Weisen
Er hat über 100 Namen, hier einige der wichtigsten:
- Shiva – Der Gütige, Glück verheißende
- Rudra – Der Heulende, Brüllende
- Nataraja – König des Tanzes (sehr bekannte Darstellung als Tänzer in einem Feuerkreis, Wenn Shivas Tanz aufhört, so sagen überzeugte Shivaiten, dann geht die Welt unter, aber Shivas Tanz wird nie aufhören, also wird die Welt nie untergehen…)
- Vishvanatha – der Herr des Universums
- Pashupathi – Herr aller Wesen
- Adinath – Der ursprüngliche Meister (in dieser Form wird er vor allem von den Asketen des Nath-Kultes verehrt, die das Kundalini-Yoga kultiviert haben)
- Chandrashekara – der die Mondsichel auf seinem Kopf trägt (in der Praxis des Hathayoga übt man bestimmte Techniken wo die gegensätzlichen Kräfte von Sonne und Mond ausgeglichen werden…)
- Nilakantha – Der Blaukehlige (dieser Name geht auf eine Geschichte zurück, wo er die Welt vor dem alles vernichtenden Gift “Hala-Hala” rettet, in dem er es trinkt und damit unschädlich macht)
- Alakh Niranjan – das unsichtbare Licht
Diese Erscheinungsformen sind auch zugleich wichtige Namen, weitere sind zB:
- Mahadev – großer Gott
- Maheshwara – großer Herr
- Shankara – Glück bringender
- Bhairava – der Schreckliche
Shiva trägt verschiedene Symbole
- Schlangen um den Hals – zeugen davon, dass er niedere Kräfte beherrscht
- Trishul, der Dreizack – Zeigt, dass er die drei Wirkkräfte der Natur kontrolliert.
- Damaru, die Trommel – steht für die kosmischen Klänge der Schöpfung
- Wasserfontäne auf dem Kopf – deutet auf seine Rolle bei der Manifestation der Ganga hin.
- Danda, Stock unter dem Arm – deutet auf seine intensive Hathayoga Praxis hin
- Nanda, Stier – ist sein Reittier und heisst Nandi
- Mondsichel auf der Stirn – steht für die Integration der Pole
- Rudraksha Mala, Gebetskette – steht für die Tränen Shivas
- blaue Haut – steht für die Unendlichkeit
- Dreadlocks/ Filzlocken – ist ein Zeichen für Asketen die sich nciht um den Körper kümmern
- Aschebeschmierte Haut – Eine Praxis von Asketen um den Energiefluss zu begünstigen
- Tigerhaut – er beherrscht das Gefährliche
- Augen halb geschlossen – er ist sowohl in der Welt als auch im Geist
- 3. Auge – steht für die Wahrnehmung von allem was ist
Sein Zuhause und seine Familie
Er ist in seiner persönlichen Form (od. in der antropomorphen Gestalt) der Asket, und befindet sich eigentlich immer in der ewigen Meditation auf dem Berg Kailash im heutigen Tibet bzw. leider China. Jedoch weilt er laut indischer Mythologie mit seiner Familie in Varanasi, seiner Stadt. Seine Frau Parvati (auch Uma oder Hemavati genannt) ist die Reinkarnation seiner ersten Frau Sati. Sie kann sich in vielen Formen zeigen, so auch in der Zerstörerischen Form von Kali und Durga. Shiva und Uma (Uma Thurman ist übrigens die Tochter eines bekannten Buddhisten…) haben gemeinsam zwei Kinder.
- Ganesha (auch Ganapati oder Ekadanta genannt) ist der Gott mit Elefantenkopf und gilt als Überwinder der Hindernisse und wird für einen guten beginn angerufen.
- Kartikeya (auch Subrahmanya oder Sharavanabhava) ist der Führer der Himmlischen Heerscharen und wird vor allem in Südindien verehrt.
Er wird vor allem in seiner Form als Lingam verehrt. Es ist ein Symbol für die Verschmelzung des formlosen, absoluten Bewusstseins mit der manifesten, wahrnehmbaren Form:
- Es gibt dann noch eine Form in der er mit seiner Gemahlin Parvati verschmolzen ist, die wird Ardhanarishvara (=Form-Halb-Frau) genannt.
- Auch gibt es ihn mit Vishnu in einem, diese Form wird Hari-Hara (Namen jeweils für Vishnu und Shiva) oder “Shankaranarayana” genannt.
- Und es gibt eine Form von Shiva, Vishnu und Brahma gemeinsam in einem, diese wird Dattatreya genannt. Dattatreya gilt als “Adiguru”, als erster Lehrer und hat die Avadhut-Gita hinterlassen, ein grossartiges Vedanta-Werk.
Shivaas Zuhause ist der Berg Kailash im Himalaya, aber er wohnt in Varanasi, der heiligen Stadt am Ganges:
Sein heiliges Mantra ist “Namah Shivaya”, auch bekannt als das “Panchaksharamantra”, der “Fünfsilbige mystische Klang”. Das Om (die 6. Silbe) welches davor gesprochen wird steht für das Transzendente. Die 5 Silben stehen für die 5 Elemente, so ist die Zahl 5 auch besonders mit ihm verbunden.
Bilderserie: Shiva hat viele Gesichter, Namen und Formen.
Zunächst ein kleiner Minischrein den ich auf dem Pilgerweg nach Nilakantha entdeckt habe:
Hier sitzt Er im Shivanandaashram in Rishikesh, direkt an dem Ort an dem Swami Sivananda seine Vision von Vishnu/ Krishna hatte. Im Hintergrund sieht man den Shivalingam der ganz im Zentrum des Ashrams liegt und täglich verehrt wird.
Haridwar gilt als einer der 7 heiligsten Orte Indiens, der Ganges teilt sich hier in 7 Ströme und seit Urzeiten gibt es hier das unglaublich große Kumbha Mela Fest. Ich habe mir dort viele Tempel angeschaut, dieser Tempel hat mich am meisten beeindruckt.
In Haridwar gibt es eine großre Tempelanlage zu ehren der Saptarishis, der 7 großen Weisen des alten Indiens, zu denen auch Narada gehört.
So wird er meistens dargestellt, mit verschiedenen Symbolen: Trishul/ Dreizack, Trommel, Schlangen um den Hals, Rudraksha-Malas, Halbmond am Kopf, Dreadlocks, Tigerfell usw…
Viele Mythologische Geschichten gibt es zu ihm, beispielsweise hat seine erste Frau Sita sich selbst entzündet aus Wut über ihren Vater. Hier versucht er sie zu retten.
Hier trinkt er in seiner Gnade das Weltbedrohende Gift “Halahala”, wie ich es in dieser Geschichte vom Quirlen des Milchozeans beschrieben habe.
Direkt am Ganges in Haridwar habe ich dieses schöne Exemplar gefunden, Shiva dem in seiner Meditation von einer riesigen Kobra etwas Schatten gespendet bekommt.
In Rishikesh gab es am Ganges diese große und berühmte Statue, sie wurde bei der großen Flut im Jahr 2013 weggespült.
Und diese Statue mitten in der Einkaufsstrasse.
Er wird auch als Rudrakshabaum verehrt, Rudraksha bedeutet “Träne Rudras”:
…und als Shivalingam wie in diesem Artikel beschrieben.
Der Sage nach hat Er den Heiligen Fluss Ganges sanft auf die Erde treffen lassen indem er sie mit seinen Dreads aufgefangen hat.
Hier der große Shiva in Haridwar:
Im Vordergrund sieht man Mutter Ganga in echt und als Murti:
Nochmals sehr eindrucksvoll aus der Ferne: