Die beiden wichtigsten und zuverlässigsten Wege zum Ziel des Yoga sind zweifelsohne Jnana und Bhakti Yoga, da wir letztlich nur durch die beiden zugrundeliegenden Prinzipien unsere Konzepte transzendieren und Gott erkennen können.
Jnana und Bhakti
Bhakti Yoga hilf uns, unsere Liebe zu Gott ins unermessliche zu vergrößern und Jnana Yoga lässt uns die Augen für die Göttliche allgegenwärtigkeit öffnen.
Es ist wichtig, dass wir verstehen welche universellen Prinzipien hinter diesen beiden Wegen stehen, und so erläutere ich im Vortrag meine Sicht auf diese beiden Praxisebenen.
Gott zu erkennen, bedeutet, Gott zu lieben, deshalb enden die Pfade Jnana, Erkenntnis und Bhakti, Gottesliebe, am selben Ziel.
Ramana Maharshi
Audiovortrag: Jnana und Bhakti – Äffchen und Kätzchen.
Transkription: Jnana und Bhakti Yoga, von Äffchen und Kätzchen
Wir haben im Yoga ein erklärtes Ziel. Und dieses Ziel ist die Selbstverwirklichung oder die Befreiung. Das Wort “Selbstverwirklichung” ist vielleicht ein bisschen irreführend, denn wir sind ja schon wir selbst, da gibt es auch nichts zu finden. Man spricht auch von der Suche nach dem Selbst, aber wir sind ja schon das Selbst und das Selbst ist auch schon komplett. Wenn man das Wort genau betrachtet, gibt es hier nichts zu verwirklichen. Ich glaube, das ist eine falsche Übersetzung aus dem Englischen „to realize“. Das kann einerseits bedeuten verwirklichen, andererseits – und das ist, glaube ich, das, um was es geht – heißt „realize“ realisieren im Sinne von erkennen, etwas begreifen, etwas realisieren. Es geht um das richtige Verstehen dessen, was die wahre Natur unseres Selbst ist, und damit befasst sich Jnana Yoga.
verschiedene Wege zum selben Ziel: Jnana und Bhakti
Wir haben im Yoga verschiedene Zugänge, verschiedene Yogawege, um dieses Ziel zu erreichen. Es gibt klassischerweise vier Yogawege. Im modernen Yoga sprechen wir oft von sechs Yogawegen. Die Meister sagen, die beiden wichtigsten Yogawege sind Jnana Yoga und Bhakti Yoga. Wenn wir wirklich das Ziel des Yoga erreichen wollen, dann brauchen wir beides. Jnana Yoga ist der Weg der Erkenntnis oder der Weg des Wissens, wo es darum geht, uns selbst im rechten Lichte zu betrachten bzw. zu verstehen, wer wir eigentlich sind bzw. wirklich zu wissen, was die Natur unseres Selbst ist. Das ist Jnana Yoga. Es wird meistens als das “Yoga des Wissens” bezeichnet.
Auf der anderen Seite gibt es Bhakti Yoga, das ist der Weg der Hingabe, der Weg des Herzens, der Weg der Liebe. Beim Bhakti Yoga geht es darum, sich Gott hinzugeben. Es geht um ein universelles Prinzip, und da spielt es keine Rolle, was wir unter dem Begriff Gott verstehen. Denn wir haben im Yoga verschiedene Erklärungen, verschiedene Modelle, die ganz viele Möglichkeiten zulassen, wie wir diesen Begriff Gott verstehen wollen. Im Bhakti Yoga geht es um das Prinzip des Sich-einer-höheren-Macht-Hingebens, unabhängig davon, ob wir uns Gott als Shiva, Krishna oder Allah oder Jehova oder Manitu oder vielleicht auch atheistisch als eine nicht zu verstehende Kraft oder als das große Geheimnis vorstellen wollen – unabhängig davon, was Gott ist. Im Bhakti Yoga geht es darum, sich hinzugeben. Sich einer größeren, höheren, stärkeren Macht oder Kraft hinzugeben.
Jnana und Bhakti Gleichnis
Für diese beiden Wege gibt es ein schönes Bild, um sie zu vergleichen. In der Tierwelt gibt es die Katzenmutter und die Affenmutter, die auf unterschiedliche Weise ihr Kleines tragen. Die Mutter des kleinen Kätzchens greift mit ihrer Schnauze das Kätzchen am Schopf und trägt es durch die Gegend. Die Affenmutter dagegen ergreift ihr Kind, und das Kind muss dann sich selbst aktiv an der Mutter festhalten, wenn die Mutter sich bewegt. In diesem Bild vom Affenbaby und Katzenbaby ist sehr schön zu sehen, um was es bei den beiden Yogawegen geht.
Im Bhakti Yoga ist im Grunde so, dass wir nichts zu tun brauchen, außer uns vertrauensvoll der göttlichen Kraft hinzugeben, so wie das Katzenbaby nichts zu tun braucht, außer sich vertrauensvoll der Mutter, die es am Schopf packt, hinzugeben. Im Jnana Yoga ist es so, dass wir uns aktiv festhalten müssen, um getragen zu werden. Wir müssen uns ganz aktiv an die Lehre, die mit dem Jnana Yoga verbunden ist, festhalten, damit sie uns transformiert. Und dafür müssen wir viel eigene Kraft einsetzen, um uns auf diese Transformation einzulassen. Das Bild vom Katzenbaby und vom Affenbaby ist ein schönes Gleichnis, um zu verstehen, um was es geht.
Das Jnana Yoga ist, wie gesagt, der Weg der Erkenntnis, der Weg des Wissens. Da geht es darum, dass wir uns mit der Lehre beschäftigen, die genaustens erklärt: Was ist mein wahres Selbst und wie kann ich mein wahres Selbst im rechten Lichte betrachten, auf dass ich mich von der Illusion, der falschen Vorstellung, löse. Mit ganz knappen Worten gesagt, ist unser wahres Selbst unabhängig von der Person, von dem Gefühl, von den Gedanken und auch vom Körper. Wir sind nicht der Körper, wir sind nicht die Persönlichkeit, wir sind nicht die Gedanken, wir sind auch nicht die Aura, sondern das, was wir in Wirklichkeit sind, ist das alldurchdringende Gewahrsein. Und dieses alldurchdringende Gewahrsein gilt es zu erkennen.
Jnana Yoga und die Kinoleinwand
Es gibt ein schönes, modernes Gleichnis von der Kinoleinwand, das dies ein wenig verdeutlicht. Die Kinoleinwand ist immer strahlend weiß, egal, ob gerade ein Action Thriller oder ein Liebesdrama läuft. Genauso ist unser wahres Selbst immer dieses reine Gewahrsein, unabhängig davon, was wir gerade für Erfahrungen machen.
Unsere Erfahrungen sind leider meistens eher so wie in einem französischen Problemfilm und nicht wie in einem Action Thriller, aber das, was wir in Wirklichkeit sind, bleibt unberührt davon. Und das gilt es zu erkennen. Oder anders gesagt: ich, der ich hier vorne sitze, bin nur ein Phänomen in deinem Bewusstsein. Dein Bewusstsein umfasst alles, was durch dich wahrgenommen werden kann. Es gibt keine Trennung zwischen dem, was du bist, und dem, was ich bin. Das wirklich zu verstehen, ist der Weg des Jnana Yoga. Dabei beschäftigen wir uns ganz intensiv mit solch einer Selbstanalyse, um zu verstehen, dass das, was ich in Wirklichkeit bin, nichts anderes ist als das, was du bist. Und dass das auch nicht getrennt voneinander ist, sondern dass wir in Wirklichkeit alle eins sind. Oder anders gesagt, im Jnana Yoga betrachten wir Gott in der ersten Person Singular. Also das, was ich in Wirklichkeit bin, ist das Göttliche. Nicht die Person, die hier vorne sitzt mit all ihren Unzulänglichkeiten und Schwächen, sondern das, was diese Person in Wirklichkeit ist, unabhängig davon, was der Körper macht und was im Geist passiert. Meine wahre Wesensnatur ist identisch mit der göttlichen Wirklichkeit. Das ist die Kernaussage des Jnana Yoga.
Nondualität und Dualität
Das Bhakti Yoga auf der anderen Seite impliziert eine Dualität, d.h. Gott ist etwas, was außerhalb von mir ist. Gott wird hier betrachtet in der zweiten Person. Gott ist du, Gott ist das, was mir gegenübersteht, vor dem ich ich verneigen kann; dem ich mich hingeben kann; den ich um Hilfe bitten kann; zu dem ich beten kann. Gott ist eine Kraft oder Wesenheit – je nach dem, wie wir das betrachten wollen, je nach dem, welchen Zugang wir haben. Gott ist etwas, das außerhalb von mir ist und dem ich mich hingeben muss, damit ich über die Grenzen meiner Persönlichkeit hinauswachse. Oder wir können sagen, Gott ist eine Kraft oder eine Macht, die das ganze Universum durchdringt. Und erst wenn ich mich dieser Kraft hingebe, kann sie ganz durch mich hindurch wirken. Diese Hingabe und diese Kraft oder diese Demut, die ich gegenüber dieser Entität oder Kraft habe, diese Demut, das ist Bhakti Yoga. Beim Bhakti Yoga geht es darum, sich hinzugeben bzw. ein Gefühl der Liebe gegenüber Gott zu entwickeln, um Gott mehr und mehr durch sich hindurch wirken zu lassen und, wie gesagt, über die Begrenzung von Körper und Person hinauszuwachsen.
Diese beiden Wege, Jnana Yoga und Bhakti Yoga, scheinen sich zu widersprechen. Das Jnana Yoga sagt, wir sind alle eins. Das Bhakti Yoga sagt, es gibt eine Trennung zwischen mir und Gott. Das passt nicht zusammen. Aber das ist eine der wesentlichen Ansätze, die wir im Yoga haben. Wir haben keine klare Philosophie, die wir vermitteln. Wir sagen nicht, das ist so und so, alles andere ist nicht richtig. Im Yoga sagen wir, dass die Wirklichkeit nicht mit Worten zu beschreiben ist. Es reicht nicht ein einziges Konzept, um diese zu beschreiben, sondern wir verwenden verschiedene Modelle, um uns ihr anzunähern. Keines dieser Modelle ist ausreichend, um sie umfassend zu erklären, weil alle Modelle und alle Konzepte immer nur begrenzt sind. Alle Worte, die wir benutzen würden, sind immer nur begrenzt und verbunden mit dem, was wir an individuellen Vorstellungen davon haben. Und so ist es wichtig, dass wir die Philosophie des Yoga nicht als die Wahrheit betrachten, sondern als eine Methode, um die Wahrheit für uns selbst zu erkennen. Sie ist immer nur ein Krückstock , den wir loslassen können, wenn wir nicht mehr humpeln. Oder sie ist wie eine Brücke, die wir auch nicht mitnehmen, wenn wir über den Fluss gehen. Die Brücke ist nur dazu da, damit wir über den Fluss kommen.
So betrachten wir die Yogaphilosophie als ein Hilfsmittel, aber sie ist nicht die ultimative Wahrheit, die vermittelt wird, sondern nur ein Modell. Die ultimative Wahrheit können wir nur selbst erkennen und realisieren, dass diese nicht mit Worten zu beschreiben ist.