Patanjali nennt im 3. Kapitel seines Yoga Sutra sehr viele sog. Samyama Praktiken die bestimmte Fähigkeiten erwecken und stärken sollen. Durch das ausrichten des Geistes auf bestimmte Ziele können wir spezifische Kräfte entwickeln um das Leben zu meistern. In diesem kurzen Abschnitt geht es um die Kräfte die wir uns durch Planeten aneignen können: Sonne, Mond und Polarstern.
Vibhuti Pada 3.27-29 Planetenkräfte
3.27 भुवज्ञानं सूर्येसंयमात्
bhuva-jñānaṁ sūrye-saṁyamāt
bhuvana = Wesen, Ding, Existenzort, Welt, Welten, Weltall
jñāna = Wissen, Kennen, Verständnis, Erkenntnis
sūrye = über die Sonne, über den Sonnengott
saṁyamāt = tiefe Versenkung, Ausrichtung, Verbindung, Fesslung
Samyama auf die Sonne bringt Wissen über die Welt.”
oder
“Durch Samayama auf Surya entsteht Verstehen über die feinstofflichen und physischen Existenzebenen.”
Die Sonne spendet nicht bloß Licht und Wärme, sondern sie ist auch das Zentrum des Sonnensystems bzw. der menschlichen Existenzebene. Die Sonne birgt auch eine psychische Kraft die es uns ermöglicht die Zusammenhänge des Kosmos tiefer zu verstehen. Wir gehen im Yoga davon aus, dass das ganze Universum belebt ist und es keinen Ort gibt der nicht durchdrungen ist von Bewusstsein und Leben. So ist auch die Sonne bewusst und sie wird sogar als Wesenheit betrachtet, diese spendet Wissen wenn man sich auf sie ausrichtet. Wollen wir also die Welt verstehen, ist es gut auch auf die Sonne zu konzentrieren. Die alten Inder konnten sich durch solcherlei Praktiken ein enormes Wissen aneignen, siehe zB meinen Artikel über unglaubliche Fakten über Indien. Konkret kann man sich einfach in die Sonne setzen und die Quelle von Licht und Wärme erspüren und sie sich innerlich vorstellen. Oder man tut etwas gefährliches… was ich euch nicht empfehlen mag: Tratak (starren) auf die Sonne. Das sollte man nicht einfach so machen, sondern genau wissen wie es geht, da man dadurch bleibende Schäden an den Augen bekommen kann. Ohne schaden kann man beim Sonnen Auf- und Untergang in die Sonne schauen und so ihre Kraft erspüren.
3.28 चन्द्रे तारव्यूहज्ञानम्
candre tāravyūha-jñānam
candre = Mond, Mondgott
tāra = Stern, hoch, funkelnd
vyūha = Anordnung, Verschiebung, Verrückung, Ganzheit, Formatierung,
jñānam = Wissen, Verständnis, Erkenntnis
“Durch Samyama auf den Mond entsteht astrologisch/astronomisches Wissen.”
Ebenso wie die Sonne ist auch der Mond eine Wesenheit oder auch eine Verkörperung des Göttlichen. Wenn wir unseren Fokus auf den Mond ausrichten, so wird in uns ein tiefes Wissen um die astronomischen und astrologischen Zusammenhänge geweckt und vertieft. Tatsächlich hat der Mond eine besondere Kraft die wir für uns nutzen können, manche Schamanen starren zB auch in den Vollmond um seine Kraft aufzunehmen. Ich selbst habe diese Praxis schon oft ausgeübt, ein “Bad im Vollmondlicht” und habe es als sehr ausgleichend und energetisierend erfahren.
3.29 ध्रुवे तद्गतिज्ञानम्
dhruve tadgati-jñānam
dhruve = Polarstern, Himmelspol, am Ort verharrend, bleibend
tat = sein, ihr, er, sie, es, dies, da, dahin, damals, auf diese Weise
gati = Bewegung, Gang, Konstellation
jñānam = Wissen, Verständnis, Erkenntnis
“Durch Samyama auf den Polarstern entsteht Wissen über die Sternbewegungen.”
Diese Praxis ist also eine Erweiterung des letzteren, wir können unser Wissen vertiefen wenn wir uns zusätzlich zum Mond auch auf den Polarstern ausrichten. Klingt auch ganz plausibel: wenn wir uns ganz auf den Fixpunkt im Firmament ausrichten, wird deutlich wie sich die Sterne drumherum bewegen.
Soweit mein Kommentar zu den Versen 27-29 des 3. Kapitels im Yoga Sutra des Patanjali.