Hinweis: Meine Sicht auf den Verein Yoga Vidya hat sich im Laufe der letzten Jahre geändert, auch weil sich vieles im Verein gewandelt hat. Du findest hier nun zunächst 2 Nachträge um meine heutige Sicht darzustellen, darunter mein original-Artikel aus 2015. Warum ich das schreibe? Weil ich darauf hoffe, dass sich der e.V. nicht weiter in eine weirde Sekte verwandelt. Es gibt so viel potential, bitte vergeudet es nicht!
Lokah Samastah Sukinoh Bhavantu – Mögen alle Wesen glücklich sein
Yoga Vidya eine Sekte?
Nachtrag Februar 2023: Seit nunmehr 2,5 Jahren bin ich gar nicht mehr bei Yoga Vidya, auch nicht als Gast oder Seminarleiter. Leider scheint sich der Verein nebst Umfeld in eine seltsame Richtung zu entwickeln, was mich traurig stimmt. Zunächst gab es 2019 den Missbrauchskandal um den 2. wichtigsten Guru der Gemeinschaft, Swami Vishnu-Devananda, der ganz offenbar in den 80ern mehrere Frauen sexuell missbraucht hatte. Leider hat sich YV diesbezüglich sehr ungeschickt verhalten und z.B. die Problematik nicht klar benannt, stellenweise auch kleingeredet. In einem Statement von Sukadev redet er drum herum und bedauert lediglich, dass sein guru “Sein gelübte gebrochen hat”. Der ganze Skandal wurde nicht aufgearbeitet, die Methoden von Swami VD nicht hinterfragt. Schüler wurden ja über 25 Jahre “eingeschworen” auf den mutmaßlichen (weil nicht gerichtlich verurteilten) Täter, nun wurde er schlicht aus allem gelöscht. Die Berichte der betroffenen Frauen sind eindeutig, da lässt sich nichts schönreden.
Dann kam die Pandemie, bei der Sukadev und der e.V. leider erst spät agierten und dann auch wieder eher ungeschickt. Sie haben es aus meiner Sicht leider versäumt, die Vulnerablen angemessen zu schützen, und sich von radikalen Querdenkern (Antisemitisch, Wissenschaftsfeindlich, Sozialdarwinistisch) klar zu distanzieren. Das hat offenbar dazu geführt, dass sich esoterisch-rechtsangehauchte “Yogis” mit ihrer kruden Weltsicht im Haus zunehmend wohlfühlen konnten und können. Besonders haben mich zur Anfangszeit Diskussionen auf Facebook mit Yoga Vidya Leuten erschrocken, wo mit teils hanebüchenen Argumenten rechte Narrative verbreitet wurden. Einige bekennen sich nun offen zu Reichsbürgern und rechten Hetzern. Ein langjähriger Seminarleiter hat sich sogar offen zu Qanon und rechten Narrativen wie der Mär vom “großen Austausch” bekannt. Eine bekannte Mantramusikerin hat kurz vor der Erstürmung des Reichstages mit verurteilten Holocaustleugnern auf der Bühne gesungen, diese tritt offenbar immer noch bei Yoga Vidya auf. Da bin ich bin froh, nicht mehr Teil des “Lichtnetzes” zu sein!
Yoga Vidya eine Religion?
Nachtrag August 23: Nachdem Yoga Vidya eine Verhandlung vor dem höchsten Deutschen Arbeitsgericht verloren hat, klagt der Verein nun beim Bundesverfassungsgericht (!) um als religiöse Gemeinschaft anerkannt zu werden. Die Klage hat zum Ziel, weiterhin nicht den in Deutschland seit 2015 gesetzlich verankerten Mindeslohn zu zahlen. Insgesamt laufen mehrere jusristische Verfahren gegen den e.V., da er offenbar seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht gerecht wird. Beispielsweise geht es um die Behindertenausgleichsabgabe und die gesetzliche Unfallversicherungspflicht. Im Zuge dieser juristischen Auseinandersetzungen ist Yoga Vidya nun dabei das öffentliche Auftreten und die grundlegenden Statuten des Vereins zu verändern, man möchte damit wohl den Eindruck einer “eigenständigen Religion” erwecken (ist es damit dann eine Sekte?).
Als ich noch beim e.V. Angestellt war, wurde immer gesagt: “Yoga ist keine Religion!”, damit wollte man verhindern, nach Außen den Eindruck einer Sekte zu machen. Jetzt ist die Strategie umgekehrt: Man möchte als Religiöse Gemeinschaft anerkannt werden, weil man damit keine Sozialleistungen zahlen muss. Die Änderung der Strategie lässt sich seit Monaten am öffentlichen Auftritt bei Social Media und in Blogs ablesen, das neue Framing ist deutlich. Derzeit läuft eine Serie von Vereinsversammlungen des Vereins, um die Satzung und weitere gundlegende Schriftsätze zu verändern. Insgesamt kann man leider immer mehr herauslesen: Yoga Vidya möchte eine Sekte sein.
Hier ein Text aus 2016, es kann sein, dass die verlinkten Artikel von Yoga Vidya bald angepasst werden:
“Da kann man klar antworten: Nein, Yoga ist keine Religion. Yoga hat verschiedene Aspekte aber Yoga ist sicher keine Religion. Eine Religion hat eine Gemeinschaft, der man beitreten kann und es verpflichtet einen zu bestimmten Ritualen, zu einem bestimmten Glauben, es gibt Priester und so weiter. Im Yoga gibt es das alles nicht.”
Und hier ein Auszug aus der Vorlage zur neuen Vereinssatzung, stand heute ist das noch nicht verabschiedet, aber es zeigt die Richtung auf, in die es gehen soll:
§2 Zweck des Vereins: Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, kirchliche und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung. Der Verein verfolgt primär religiöse Zwecke zur Förderung der Religion.(…)
Auszüge aus der neuen Präambel:
“Wir, die Mitglieder des Yoga Vidya e.V., stehen in der heiligen Tradition von Swami Sivananda. Wir gründen uns auf der spirituell-religiösen Praxis von integralem Yoga…”
“Um Menschen zu dienen, lehrt der Yoga Vidya e.V. den integralen, spirituell-religiösen Yoga”
“Nach unserem Selbstverständnis sind wir eine Religionsgemeinschaft.”
Verursacht mir Schmerzen: Hauseigenes Yoga Wiki und TikTok
Was mich noch wurmt: Bereits Swami Sivananda hat mit den damaligen Möglichkeiten alles getan um Yoga zu verbreiten, so hat er z.B. eine Druckerpresse gekauft um seine vielen Bücher zu vervielfältigen und Audioaufnahmen für die Nachwelt erstellt. Auch viele seiner Schüler haben später moderne Mittel verwendet um das Yoga bekannter zu machen.
Aber was Yoga Vidya bzw. Sukadev heute macht, ist schlicht too much! Sorry, ich muss es so sagen: Das Internet wird vollgemüllt mit seltsamen, schlechten und irrelevanten Inhalten. Es gibt über 250.000 einzelne Seiten im “Yoga Vidya Wiki”. Wozu braucht es einen Internetartikel im über “Senf aus yogischer Sicht” oder “Schnecke – erläutert vom Yoga Standpunkt aus” oder “Schlendrian“? – WTF?!
“Schmalz – was ist das? Wie geht man damit um? Schmalz kann sein Sentimentalität, übermäßige Gefühlsduselei.”
Mir ist natürlich klar, dass es darum geht, viele Leute zu erreichen. Googelt man z.B. nach “Schlamperei“, ist der e.V. auf Seite 1 bei Google, toll! Man setzt hier also klar auf Quantität statt auf Qualität, auf Oberflächlichkeit statt Tiefe.
“Wer denkt, dass der andere nachlässig gearbeitet hat, einiges vergessen hat, einiges übersehen hat, Unordnung hinterlassen hat, der kann dem anderen Schlamperei vorwerfen.”
Cringe Guru: Sukadev auf TikTok. Ohne Worte…
Mein Artikel über Yoga Vidya aus 2015
Nach 8,5 Jahren Vollzeit Mitarbeit bei Yoga Vidya habe ich mich im März 2015 entschieden meine vollzeit Tätigkeit für die inzwischen offizielle “Religiöse Gemeinschaft” zu beenden. In den 8,5 Jahren, die ich für den gemeinnützigen Verein tätig war, habe ich verschiedene Führungsaufgaben innegehabt und dadurch einen sehr tiefen Einblick bekommen in die Funktionsweise des großen Yoga-Monopolisten. Im Artikel einige Gedanken und Hintergründe zu Yoga Vidya von mir.
(Nachtrag 2023 – ich bin recht sparsam, aber nach 8,5 Jahren war ich pleite!)
8,5 Jahre bei Yoga-Vidya
Begonnen hat diese Geschichte im Jahr 2006, als die Republik durch das Sommermärchen geblendet war und in mir die spirituelle Sehnsucht bis hin zu meinem wichtigen Entschluss reifte, meinem Leben eine neue Wendung zu geben. Ich arbeitete damals in einer alternativen Fußballkneipe und war dem hedonistischen Nachtleben und den Süchten nicht abgeneigt. Ich genoss Freibier bei meinem Arbeitgeber und mein Dealer wohnte um gleich die Ecke, ein allzu bequemes Leben welches unmittelbar in die dauerhafte Stagnation geführt hätte. Mir wurde damals zunehmend klar, dass mich ein solches Leben immer weiter von meinem spirituellen Lebensideal entfernen würde, und es wuchs damit in mir ein starkes Bedürfnis nach einem besseren Leben.
Wie ich damals zu Yoga Vidya gefunden habe
Ich machte mich also auf die Suche nach einer geeigneten Alternative. Meine Idee war, meine beruflichen Fähigkeiten als Koch einer wie auch immer gearteten meditierenden Gemeinschaft zur Verfügung stellen, um so im Alltag ständig mit Spiritualität konfrontiert zu werden. Bei meinen Recherchen im Internet stieß ich immer wieder auf Yoga Vidya, die Seiten waren schon damals omnipräsent im Netz. Im Vergleich zu anderen Gemeinschaften, die ich im Netz aufgestöbert habe, gab es damals wie heute ein schlagendes Argument für Yoga Vidya: Man kann dort ohne Eigenkapital sofort einsteigen und sich einfach mit seiner Arbeitskraft einbringen.
Nach einem Probewochenende habe ich mich damals entschieden, direkt montags meinen Job und meine Wohnung zu kündigen. Ich habe dann fast alle meine Sachen verschenkt und eine legendäre Abschiedsparty gefeiert, über dessen Details ich mich in diesem Rahmen nicht weiter äußern möchte. Jedenfalls bin ich drei Monate nach dem Probewochenende mit Sack und Pack in das Haus Yoga Vidya Westerwald gezogen und damit begann ein ganz neues und das bisher wichtigste Kapitel in meinem Lebensbuch.
Voller Dankbarkeit für die Zeit bei Yoga Vidya!
Die Zeit, die ich bei Yoga Vidya verbracht habe, war äußerst wertvoll für mich und ich bin voller Dankbarkeit für dieses wundervolle Projekt und das unfassbare Lebenswerk von Sukadev. Die 8,5 Jahre im Ashram haben mich zu einem ganz anderen Menschen geformt, wobei ich zugleich das Gefühl habe, mir selbst dabei treu geblieben zu sein.
Ich habe durch Yoga Vidya :
- Eine ganz neue Perspektive für mein Leben bekommen und ungeahnte schlummernde Talente in mir geweckt.
- Unglaublich viele tolle Leute kennengelernt und für mich erkannt, was wirklich wichtig ist im Leben.
- Ganz viel neue Hoffnung bekommen und den Glauben an eine bessere Welt zurückgewonnen.
- Die Frau meines Lebens gefunden und eine ganz andere Sichtweise auf die Welt entwickelt.
Kurzum: ich bin voller Dankbarkeit und freue mich, dass ich diesen Schritt damals gegangen bin!
Meine Zeit bei Yoga Vidya: viele positive Effekte
Noch etwas Wichtiges ist geschehen: Ich habe vor meiner Zeit bei Yoga Vidya Tabak geraucht, Alkohol getrunken, Tiere gegessen und habe verschiedenerlei Rauschgifte ausprobiert und manchen gar regelmäßig gefrönt. Durch das Üben von Yoga und Meditation, aber vor allem durch das nahezu absolut cleane Umfeld bei Yoga Vidya habe ich es im Laufe der Jahre geschafft ganz und gar davon weg zu kommen. Zwar habe ich mir die ersten Jahre meiner Ashramzeit verbotenerweise im Urlaub einige Ausrutscher erlaubt, habe aber zunehmend das Interesse an einem „unreinen Lebensstil“ verloren. Jetzt wo ich wieder “normal” in einer Großstadt lebe, merke ich, dass ich wirklich gar kein Interesse mehr an Drogen, Alkohol, Fleisch etc habe: Ich habe tatsächlich in mir das Gefühl davon geheilt zu sein. Und das war meinem Erachten nach nur möglich durch die strikten Regeln, denen man sich als Mitarbeiter bei Yoga Vidya unterordnet.
Natürlich gibt es wie bei allem auch bei Yoga-Vidya zwei Seiten der Medaille, es ist auch dort nicht alles Gold was glänzt. Prägnant zusammenfassend kann ich sagen, dass es nicht jedermanns Sache ist, aber für manch einen ist es genau das Richtige! So war es eben auch für mich zwischen 2006 und 2015 das ideale Umfeld, um zu wachsen und zu lernen. In den vielen Jahren gab es aber natürlich auch so manches, was mir nicht so behagte und über das ich mich geärgert habe. Allerdings gab es nie Ärgernisse, die so groß gewesen wären mich zu veranlassen kurzfristig zu kündigen. Ich habe festgestellt, dass es immer plausible Gründe gab für Entscheidungen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht vernünftig aussahen.
Ashram, Gemeinschaft oder Seminarhaus? 3 Beine von Yoga Vidya
Ein grundlegendes Problem, welches ich hier ansprechen möchte, ist die große Differenz zwischen den Ansprüchen, welche der Verein an sich stellt: Einerseits möchte Yoga Vidya ein spiritueller Rückzugsort sein nach dem Vorbild von Ashrams in Indien und auf der anderen Seite ist man auch ein wirtschaftlich orientierter Seminarbetrieb mitten in Deutschland, außerdem gibt es den Anspruch eine echte Gemeinschaft zu sein. Diese drei höchst verschiedenen Ansprüche erzeugen vor allem bei den Mitarbeitern gegenläufige Erwartungen und damit verbundene Konflikte.
Einerseits kommen die Meisten zu Yoga Vidya, um tatsächlich spirituell zu praktizieren und zu wachsen, und dafür finden sie auch ein gutes Feld. Andererseits gibt es einen deutlichen wirtschaftlichen Druck den umfassenden, inzwischen sehr professionellen Betrieb aufrechtzuerhalten, um die über 250 Mitarbeiter weiterhin finanzieren zu können. Beides scheint sich oft zu widersprechen, wobei dem Einzelnen sehr viele Freiheiten gelassen werden, sich seine spirituelle Ausrichtung und Übungen frei zu gestalten.
Die Idee eine Gemeinschaft sein zu wollen ist ein weiterer Faktor, der bei den Mitarbeitern oft zu falschen Erwartungen führt, da diese Idee schwierig mit den beiden anderen Ansprüchen zu vereinbaren ist: Ein traditioneller Ashram ist streng hierarchisch geführt und lässt kaum Spielraum für individuelle Bedürfnisse, da sich alles um die Yogapraxis und die Hingabe an den Guru dreht. Ebenso ist ein kommerzielles Seminarhaus mehr auf die Bedürfnisse der zahlenden Gäste ausgerichtet als darauf, den Mitbewohnern einen Entfaltungsraum zu bieten. Diese Punkte führen nach meinen Beobachtungen oft zu Konflikten, aber es liegt an jedem einzelnen sich innerhalb dieses Spannungsfeldes zurechtzufinden.
Warum ich Yoga Vidya verlassen habe?
Es wurde einfach Zeit für was Neues. Der Job als Ashramleiter im Haus Yoga Vidya Westerwald hat mich zwar sehr gefordert, aber es hat insgesamt auch gut funktioniert. Die Gästezahlen waren besser als in den 10 Jahren davor und die Stimmung im Haus war gut. Mein Weggang aus dem Haus war recht spontan und ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte: Ich hatte immer die Idee mich selbstständig zu machen als Lehrer für Meditation & Yoga, dafür hätte ich ja auch gute Voraussetzungen gehabt. Ich habe mich damit intensiv beschäftigt und aus verschiedenen Gründen die Lust an einer reinen Selbstständigkeit verloren. Es ist heute sehr schwer, mit dem Yoga genug Geld zu verdienen, vor allem wenn man keine Lust hat 50% der Zeit mit Akquise im Büro zu verbringen. Aus heiterem Himmel bekam ich dann ein Jobangebot, welches zu gut war, um es abzulehnen. Jetzt arbeite ich als Koch an einer Schule, koche vegetarisch, habe Wochenende und Abends frei sowie Schulferien. Dieser Job gibt mir die Möglichkeit in der Freizeit gezielt die Dinge zu unterrichten, die mir Spass machen, ohne davon abhängig zu sein.
Ist denn Yoga Vidya eine Sekte, oder nicht?!
Es gibt ja tatsächlich einige Gründe, weswegen man Yoga Vidya als Sekte bezeichnen könnte, je nachdem wie man den Begriff Sekte definieren möchte. Im herkömmlichen Sinne bedeutet Sekte: “eine religiöse Gruppierung, die nicht zur Katholischen Kirche gehört”. Oder wie Google sagt: “eine Glaubensgemeinschaft, die im Gegensatz zu den großen Religionsgemeinschaften relativ wenig Mitglieder hat”.
Demnach ist Yoga Vidya eine Sekte. Allerdings wird der Begriff Sekte heute für religiöse Gruppen verwendet, die ihre Mitglieder mit perfiden Mitteln ausbeuten, unterdrücken und in die Irre führen. Solcherlei Erfahrungen habe ich in 8,5 Jahren bei Yoga-Vidya nur tendenziell beobachtet, also ist Yoga Vidya keine Sekte.
- Ach… und: Bei Ganzherzig.de gab es ein Interview mit mir dazu.