Es besteht große Verwirrung rund um den Begriff “Erleuchtung” oder wie auch immer man es nennen mag. Im Yoga und Vedanta definieren wir es meist als Moksha, die Befreiung, und es geht dabei um die letztendliche Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten bzw. die Freiheit von allem Leid.
Erfahrung oder Erkenntnis
Es ist wichtig zu verstehen, dass es hierbei nicht um einen Zustand bzw. eine Erfahrung im herkömmlichen Sinne geht, denn beides ist vergänglich. Sondern es geht hier vielmehr um die dauerhafte Freiheit von allen mentalen Begrenzungen und dauerhaft ist nur das Bewusstsein, bzw. die klare und unumstößliche Erkenntnis der Wirklichkeit. “Erleuchtung” ist weit jenseits dessen, was wir an gewöhnlichen Erfahrungen machen und es ist daher sehr schwierig es in Worte zu kleiden.
Ist Erleuchtung bzw. Befreiung das Ergebnis von Erfahrung oder Erkenntnis?
Vortrag: Erfahrung oder Erkenntnis?
Der Unterschied zwischen Erfahrung oder Erkenntnis liegt in der Art und Weise, wie wir Wissen und Informationen aufnehmen. Erfahrung basiert auf dem Sammeln von realen oder subjektiven Eindrücken, die wir direkt erfahren, während Erkenntnis das Ergebnis eines analytischen Prozesses ist, bei dem wir Informationen sammeln, logisch analysieren und Schlussfolgerungen ziehen. Erfahrung ist also eher ein zufälliger Prozess, der uns ein Gefühl für bestimmte Dinge vermittelt, während Erkenntnis ein bewusster Prozess ist, bei dem wir schließen, interpretieren und uns auf eine bestimmte Sichtweise einigen. Erfahrung bezieht sich im Kontext des Yoga auf das Erleben des äußeren Objekts oder Ereignisses. Es besteht darin, dass ein Individuum Eigenschaften eines Objekts oder Ereignisses wahrnimmt und es so erlebt. Erkenntnis bezieht sich auf die Verständnis des Objekts oder Ereignisses, das durch das Erleben gewonnen wird. Es ist ein tieferes Verständnis als eine einfache Erfahrung, da es durch Reflektion und Analyse entsteht.
Transkribierter Vortrag zu Erfahrung oder Erkenntnis
Wenn wir über Yoga sprechen oder über den spirituellen Weg, dann ist ja ganz wichtig auch über das Ziel dessen zu sprechen. Und darüber gibt es allgemein sehr viel Verwirrung. Also zunächst mal ist es so, dass wir ja meistens das Wort Erleuchtung verwenden. Das ist ein Begriff aus der christlichen Mythologie und es gibt eigentlich keinen adäquaten, keine adäquate Übersetzung in Sanskrit. Also es gibt kein Wort im Sanskrit, was dem direkt entspricht. Wir haben in der Sanskritsprache, also in der Yoga Wissenschaft, ganz viele verschiedene Begriffe, die so ungefähr mit Erleuchtung zu übersetzen wären, wobei diese dann aber genauer unterschieden werden. Also es ist unklar, worüber man eigentlich spricht, wenn man über Erleuchtung oder diese Sache spricht.
Erfahrung oder Erkenntnis: Dauerhaft oder Vergänglich?
Und eine Unterscheidung, die mir da sehr gut hilft aus dem Advaita Vedanta, das ist die Unterscheidung zwischen Erfahrung oder Erkenntnis bzw. zwischen vorübergehenden vergänglichen Zuständen und Erfahrungen und dauerhaften bleibenden Erkenntnissen bzw. Wissen auf der anderen Seite. Und tatsächlich meistens, wenn über Erleuchtung gesprochen wird, dann geht es um bestimmte Erfahrungen, die man macht, also bestimmte ekstatische Meditationserfahrungen oder lichtvolle Gottes oder Engelserfahrungen. Und es liegt in der Natur der Sache von Erfahrungen, dass sie vergänglich sind, also Erfahrungen kommen und gehen. Ebenso wie unsere Zustände, unsere unsere Bewusstseinszustände, durch die wir hindurchgehen. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Das ist ein ständiges Auf und Ab in unserem Leben. Und auch wenn wir eine ganz tiefe, lichtvolle, erhabene Meditationserfahrung machen, dann heißt das noch nicht, dass wir Montag morgens um 5:30, wenn der Wecker klingelt, dann auch noch in diesem Zustand verweilen. Sondern meistens ist es so, dass wir dann Montag morgens um 5:30, wenn der Wecker klingelt, wieder einen ganz anderen Zustand haben. Aber dann ist es ja auch nicht Erleuchtung, wenn wir da in diesem Auf und Ab des Lebens irgendwo gefangen sind. Ähm. Und die meisten, die über Erleuchtung sprechen, die sprechen dann über bestimmte Erfahrungen, die man macht, also zum Beispiel Samadhi. Samadhi ist eine besondere ekstatische Meditationserfahrung. Es ist ein Zustand, in den man hineinfällt, wenn man lange genug in Meditation verweilt. Aber es ist ein vorübergehender Zustand. So wird es ja auch beschrieben, dass man danach wieder ins Alltagsbewusstsein kommt. Also ist. Der Samahdi ist nicht dauerhaft, was aber dauerhaft ist. Das ist unsere Erkenntnis, die wir aus den Erfahrungen ziehen.
Erfahrung oder Erkenntnis: Zustände sind vergänglich
Was dauerhaft ist, ist das Wissen, was wir gewinnen aus. Der Reflexion über die Erfahrungen, die wir machen. Und was wir einmal erkannt haben, was wir einmal wirklich wissen, das vergeht nicht. Das ist dauerhaft. Und das ist das, was eigentlich interessant ist. Moksha Das ist ein anderer Begriff, als Samadhi meint, was ganz anderes. Samadhi meint einen ekstatischen Zustand, und Moksha meint die Befreiung oder die Freiheit. Und Moksha ist im Grunde genommen, so wird es definiert, die Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten oder die Befreiung von allem Leiden. Und dieses ist dann dauerhaft und das ist kein Zustand, sondern Moksha ist verbunden mit der Erkenntnis der Wahrheit in Anführungsstrichen, also mit der Erkenntnis der Natur unseres wahren Selbst. Wir sind ja, solange wir in Samsara in diesem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten stecken, identifiziert mit unserem Körper, mit unserer Person, mit einer dualen Erfahrungsebene, wo wir als Subjekt eine Welt der Objekte erfahren. Und Moksha ist die Erkenntnis, dass wir eigentlich das All Durchdringende, eine Bewusstsein sind, dass wir eigentlich. Hm, ja, dass unser wahres Selbst mit allem verbunden ist und es keinerlei Trennung gibt und es nur eine Illusion gewesen ist, dass wir in einer Subjekt Objekt Beziehung zur Welt stehen, sondern dass wir in Wirklichkeit eins mit allem sind.
Und entscheidend ist, so meine ich, diese Erkenntnis zu erreichen, also zu erkennen, was wir wirklich sind, unabhängig von den Zuständen. Ich glaube, auch jemand, der erleuchtet ist, erlebt unterschiedliche Erfahrungen. Er geht durch unterschiedliche Zustände. Er erlebt nach wie vor das Auf und Ab des Lebens. Der fühlt sich auch nicht toll, wenn Montagmorgen um 5:30 der Wecker klingelt. Aber entscheidend ist, dass derjenige dann damit ganz anders umgeht. Nämlich er weiß Ich bin das Bewusstsein und nicht die Erfahrung, die im Bewusstsein kommt und geht.
Erfahrung oder Erkenntnis – Meditation lässt uns gleichmütig beobachten
Ich habe vor vielen Jahren mal nach einer Indienreise habe ich eine Phase gehabt, vor einem halben Jahr, da konnte ich wunderbar meditieren und da habe ich damals gedacht, ich, ich hätte es jetzt irgendwie verstanden und ich wüsste jetzt, wie es geht. Ich brauchte mich damals nur hinsetzen. Und dann, zack, war ich in so einem tollen, leichten, lichtvollen Zustand und konzentriert. Und damals habe ich gedacht Ja, jetzt kann ich meditieren und irgendwie ich weiß nicht warum. Nach einem halben Jahr ungefähr ist es eingebrochen und danach kam auch ungefähr ein halbes Jahr, wo meine Meditation eine Katastrophe war, wo ich also überhaupt nicht konzentrieren konnte, mich im Inneren, sondern da war einfach nur Unruhe und mich unwohl gefühlt und. Was mir da klar wurde oder was ich als Erkenntnis daraus gezogen hatte. Dann, als ich darüber nachdachte, dass es eben nicht darum geht, was ich für Erfahrungen in der Meditation mache. Na, ob sie jetzt lichtvoll sind oder oder nicht, sondern dass es darum geht. Dieses beobachtende Gewahrsein, dieses Bewusstsein zu kultivieren und mich damit zu identifizieren, dass ich eben Bewusstsein bin und nicht die Erfahrung, die im Bewusstsein kommt und geht.
Und so ist es eben auch im richtigen Leben. Die Erfahrungen sind wechselhaft. Auch wenn wir erleuchtet sind, werden trotzdem Menschen um uns herum krank und sterben und andere werden geboren und heiraten. Und es gibt halt schöne und schlechte Erfahrungen und es wird immer so bleiben. Aber entscheidend ist ich bin nicht die Erfahrung, sondern ich bin das Bewusstsein. Ich bin. Ich bin wie der Raum, in dem die Erfahrungen kommen und gehen. Und je mehr ich mich innerlich ausrichte darauf, dass ich. Nicht die Erfahrung bin, nicht der Zustand bin, sondern eben das Gewahrsein bin. In dem diese Erfahrungen stattfinden. Je weniger leide ich unter den Erfahrungen. Und wenn ich dann irgendwann tatsächlich erkenne und dann wirklich weiß, ich bin dieses Eine, Ich bin dieses Bewusstsein, welches der Urgrund aller Erfahrung ist, dann hört alles Leiden auf.
Kinoleinwand als Siinbild für das Selbst
Da gibt es dieses schöne Sinnbild von der Kinoleinwand. Ob auf der Kinoleinwand jetzt innen ein Actionthriller oder ein Liebesdrama läuft. Das ist für die Kinoleinwand egal, die bleibt immer strahlend weiß. Und genauso in unserem Leben. Gut, meistens sieht es so aus, als wäre es ein französischer Problemfilm. Aber die die strahlende Leinwand, die bleibt vollkommen unberührt davon. Egal, was, was für ein Film da gerade abläuft. Und wir sind eben eigentlich diese strahlend weiße Leinwand, die vollkommen unberührt ist von dem Film, der dort gerade abläuft. Und diese weiße Leinwand. Das ist dieses beobachtende Gewahrsein, welches immer da ist. Das brauchen wir auch gar nicht zu suchen. Wir brauchen das selbst nicht zu finden, sondern wir brauchen das nur zu realisieren. Zu erkennen, dass das Ich eigentlich dieses beobachtende Bewusstsein bin. Und es ist vollkommen unberührt davon, ob ich jetzt gerade in einer klinischen Depression stecke oder euphorisch bin. Das beobachtende Gewahrsein, das bleibt immer gleich, das verändert sich nicht. Es wird unberührt von allen Erfahrungen. Und dieses zu erkennen, das nennen wir Moksha, das nennen wir Freiheit. Und das ist meiner Meinung nach das, worum es geht in Erleuchtung.
Es geht nicht darum, irgendeinen speziellen Zustand zu haben, zum Beispiel den Zustand der Geistesruhe oder der EGolosigkeit oder der absoluten Gegenwärtigkeit. Das sind alles Zustände, die wieder weggehen, sondern was dauerhaft ist. Ist die Erkenntnis Ich bin Sat Chit Ananda. Ich bin sein Bewusstsein. Glückseligkeit. Da gibt es dieses klassische Bild von vom von der Schlange im Seil. Der Mensch oder ein Mann geht über die Straße. Dort liegt ein eine Schlange auf dem Boden. Er erschrickt sich zu Tode. Dann kommt ein anderer Mann mit einer Fackel und im Lichte der Fackel wird erkannt Da war gar keine Schlange, sondern da hat nur jemand ein Seil liegen lassen. Die Panik war da, weil die Wirklichkeit überlagert wurde mit einer falschen Vorstellung. Und sobald im Lichte der Erkenntnis die Wahrheit gesehen wurde, nämlich da liegt nur blödes Seil, keine gefährliche Schlange. Sobald das erkannt wurde, ist das dauerhaftes Wissen. Und dann braucht man nicht wieder Angst zu haben vor der Schlange.
Und genauso wollen wir erkennen, was ist unser wahres Selbst? Und wenn das erkannt ist? Dann. Vergeht diese Erkenntnis nicht mehr, dann werden wir nie wieder glauben. Wir sind der Körper, wir sind die Person, wir sind irgendwelche besonderen Zustände. Sondern wir wissen dann und dann bleibt dieses Wissen dauerhaft eben. Wir sind das Selbst. Wir sind dieses all durchdringende Bewusstsein. Wir sind diese Kinoleinwand und eben nicht der Film, der da gerade drauf spielt.