Die höchste Liebe ist, wie bereits in den vorangegangenen Versen asführlich erläutert, nicht zu beschreiben. Jedoch ist es gut, wenn man ein umfassendes Verständnis dessen bekommt, um “als Gott in Gott zu leben”. Diese höchste Liebe ist die Erfahrung der Einheit allen Seins wo man durch die reine Liebe mit allem verschmilzt und erkennt das jede Erfahrung nur ein Teil des Einen ist. Mit jedem einzelnen Vers des Narada Bhakti Sutra wird das Verstehen des Bhakti Yoga Weges tiefer.
Narada Bhakti Sutra 58-73: Höchste Liebe
58. “Der Weg der Hingabe ist leichter als andere Pfade.”
Für den Weg des Bhakti braucht es, wie man sagt, keinerlei besonderer Voraussetzungen, ausser dem intensiven Wunsch Gott zu lieben und diese Liebe zum Ausdruck zu bringen. Allerdings ist das schon eine große Voraussetzung, denn dieser Wunsch muss ganz klar sein und höchste Priorität im Leben haben. Bei den anderen Wegen braucht es jedoch weit mehr Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein:
- Raja Yoga – braucht große Konzentration und einen starken Willlen
- Jnana Yoga – benötigt Intelligenz und Losgelöstheit
- Hatha Yoga – braucht Kraft, Ausdauer und Flexibilität
- Karma Yoga – benötigt Achtsamkeit, Gleichmut und Demut
59. “Sie ist ihr eigener Beweis und bedarf keinerlei anderer Beweise.”
Die höchste Liebe ist sich selbst genüge, es bedarf keinerlei wissenschaftlichen Beweise und sie kann eben auch nicht bewiesen werden, da sie nicht auf einer Ebene ist die bewiesen werden kann, bzw. sie nur subjektiv erfahrbar wird wenn die Ratio transzendiert wird. Die höchste Liebe ist eine individuelle Erfahrung die nicht rational erklärbar ist und nur dem jenigen offen ist der darin vertraut, dass sie erreichbar ist. Ganz im Sinne der Aussage von C.G. Jung
„Religiöse Erfahrung ist absolut. Man kann darüber nicht diskutieren. Man kann nur sagen, dass man niemals eine solche Erfahrung gehabt habe.”
60. “Friede und höchste Glückseligkeit ist ihre Natur.”
Wenn der Zustand der höchsten Liebe erreicht ist, wird der reine Frieden erfahren und die höchste Glückseeligkeit erlebt. Es gibt nichts auf der Welt was dieser Erfahrung der Liebe zu Gott und der Einheit allen Seins gleichkommt. Auch wenn die Welt scheinbar in Unfrieden liegt und es viele Gründe gibt nicht Glückseelig zu sein, so ist die höchste Liebe unerschütterlich wenn sie ersteinmal erreicht ist.
61. “Ein Bhakta sollte sich nicht sorgen wegen des Leids in der Welt, weil er sich selbst und alles was er hat, sogar die Riten der Schriften, Gott hingegeben hat.”
Das bedeutet nicht, dass dem Bhakta das unermessliche Leid in der Welt gleichgültig ist, sondern es ein sehr tiefes Vertrauen in Gottes Wege gibt. Der Bhakta ist so sehr eins mit der Liebe zu Schöpfung, dass er ganz von selbst in jedem Moment zum wohle aller handelt, aber er sorgt sich eben nicht darum. Er hat sich selbst ganz Gott hingegeben, also er ist eins mit der Schöpfung und so in Harmonie mit ihr, dass er im völligen EInklang ist und das Vertrauen unerschütterlich.
62. “Auch wenn man sich ganz Gott hingegeben hat, muss man nicht die weltlichen Handlungen aufgeben, es sollten aber die Früchte der Handlungen dem Herrn geweiht werden und die spirituellen Handlungen fortgeführt werden.”
Der verwirklichte Bhakta kann ganz normal mit beiden Füßen im Leben stehen und muss keinerlei besonderen Handlungen ausführen, er muss nicht der Welt entsagen um über sie hinaus zu wachsen. Allerdings wird sich dem Bhakta ganz von selbst ein Gleichmut gegenüber den Früchten seiner Handlungen eröffnen, er tut einfach das was gerade anliegt. Wobei Narada Muni hier klar empfiehlt, dass man auch nach erreichen der höchsten Liebe noch seinen spirituellen Praktiken treu bleiben sollte, denn trotz “Erleuchtung” hat der mensch noch eine Persönlichkeit und tiefsitzende Muster.
63. “Man sollte keinen Unterhaltungen über Lust, Reichtum und Gottesleugnung zuhören.”
Der Bhakta sollte sich innerlich und äusserlich ganz und gar auf Gott und die Liebe zu Gott ausrichten, dazu sollte er die großen Verlockungen des weltlichen Lebens so weit möglich meiden. Es gibt quasi in jedem Moment die Option zu entscheiden zwischen einem Weg zur Gotteserfahrung und einem Weg der von Gott entfernt.
64. “Stolz, Eitelkeit und ähnliche Laster müssen aufgegeben werden.”
Es gibt viele Laster die der Suchende in seinem Leben gepflegt hat und die als tiefsitzende Programme noch lange nachwirken die man grundsätzlich aufgeben sollte. An einem gewissen Punkt des spirituellen Weges muss man sich entscheiden ob man sich ganz auf das Ziel ausrichten möchte oder die Spiritualität nur ein nettes Hobby ist. Will man das Ziel der höchsten Liebe erreichen, muss man entsprechende Prioritäten setzen.
65. “Man sollte alle Handlungen nur Gott weihen und Lust, Zorn, Stolz usw. nur auf Ihn richten.”
Wie bereits erläutert spielt es letztendlich keine Rolle was für Handlungen der Bhakta ausführt, entscheidend ist diese Gott zu weihen, wobei diese natürlich im EInklang mit der Schöpfung stehen sollten. Auch erwähnt Narada Muni hier eine interessante Methode um die Verbindung mit Gott zu stärken und mit unpassenden Gefühlen umzugehen. Man kann auch negative Gefühle auf Gott richten und sie dadurch transformieren, es müssen nicht nur positive Gefühle auf Gott gerichtet sein. Gott kann sicherlich besser mit Zorn, Lust, Stolz usw. umgehen als irgendjemand anderes.
66. “Liebe zu Gott allein, so wie ein Diener oder ein Geliebter, wird die drei niederen Arten der Gottesliebe übersteigen.”
Der wahre Bhakta liebt Gott nur um ihn zu lieben, er liebt Gott um der Liebe willen und nicht weil er dadurch die durch die Gunas definierten niederen Arten der Motive Gott zu lieben erfüllen möchte. Er will Gott als Diener oder Geliebter lieben und dieses impliziert eben das man ohne Erwartungen oder Gegenleistungen Liebt.
67. “Bhaktas die nur Gott alleine Lieben sind die besten.”
Das einzige Motiv für Bhakti sollte die höchste Liebe zu Gott alleine sein, auch wenn dieses reine Motiv erst durch Reinigung und Herzöffnung schrittweise erreicht werden kann. Der Bhakti Weg führt durch eine stufenweise Entwicklung und mümdet in dieser reinen Liebe zu Gott.
68. “Wenn wahre Bhaktas von Gott sprechen, zittern ihre Stimmen, sie weinen, ihre Haare stehen ab, sie reinigen damit ihre Familien und die gesamte Welt.”
Ist diese reine Liebe zu Gott erreicht, werden alle Konzepte über Gott zu unmittelbaren Erfahrungen die das ganze Wesen transformieren und jedes denken an Gott wird den Bhakta tief Rühren. Dieser Zustand ist ein großer Seegen der alle mit dem Verwirklichten verbundenen Seelen bereichert.
69. “Sie segnen die Pilgerorte, ihre Handlungen sind segensreich und sie verleihen den heiligen Schriften Kraft.”
Der besondere Segen der auf dem Bhakta im Zustand der höchsten Liebe liegt, strahlt durch seine Anwesenheit und seine Handlungen auf die Umgebung aus. Im spirituellen Weltbild geht man davon aus, dass der Mensch kein isoliertes Wesen ist, sondern mit seiner Umwelt auf vielen Ebenen in Verbindung steht, ja sogar eins damit ist. Eine starke Segenskraft überträgt sich durch den einzelnen auf das gesamte Feld seiner Erfahrungen.
70. “Sie sind mit dem Geist Gottes erfüllt.”
Wer im Zustand der höchsten Liebe zu Gott ist, der wird zum Werkzeug Gottes auf Erden, er ist Gottes Manifestation im Göttlichen Feld. Die Liebe zu Gott lässt den Bhakta zum Instrument werden und sein Innenleben ebenso wie das Aussenleben völlig verwandeln um nurnoch im Einklang mit Gott und seiner Schöpfung zu sein.
71. “Es frohlocken die Vorfahren, die Götter tanzen vor Freude, und Mutter Erde wird geschützt.”
So weitreichend sind die Folgen dieser Transformation, es hat Auswirkungen auf die astrale Ebene wo die Vorfahren weilen, es berührt die Götter (nicht zu verwechseln mit “Gott”) die auch gesegnet werden durch die satrke Kraft der Liebe. Ausserdem, so Narada Muni, hat es Folgen für Mutter Erde die durch die Segnungen des verwirklichten Bhakti gesegnet wird.
72. “Es gibt bei ihnen keine Unterscheidungen von Kaste, Bildung, Schönheit der Gestalt, Geburt, Wohlstand, Beruf oder ähnlichem.”
Für den Bhakta der die höchste Liebe zu Gott zum Ausdruck bringt wird jede Erfahrung die er macht immer eine Erinnerung an diese Liebe bzw. ein Ausdruck Gottes. Es wird nicht mehr unterschieden zwischen den üblichen Kategorien in der Welt. So werden zB Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten oder Bildungsniveaus als gleichwertig betrachtet, da jedes Wesen eine manifestation Gottes ist.
73. “Weil sie alle zu Gott gehören.”
Jeder Mensch auf Erden, unabhängig von den eben genannten Kategorien, ist Gott zugehörig bzw. eine Verkörperung des Einen. Wobei hier natürlich wieder die Frage nach der Definition von “Gott” auftaucht. Der wahre Bhakta erkennt alle Wesen als verkörperung von Gott und entsprechend verhält er sich so gegenüber allem und jedem.
Soweit mein Kommentar zu den Versen 58-73 des Narada Bhakti Sutra, dem wunderbaren Text aus dem Hinduismus über die liebe zu Gott.