Hier eine essentielle Meditation über die Grundaussagen der Lehre des Advaita Vedanta.
Meditation Sakshi Bhav & Sat Chid Ananda
Unser wahres Selbst kann nicht intellektuell erfasst werden, es zu verstehen ist ein wichtiger Schritt, aber entscheidend ist es tatsächlich zu Erkennen. Die wahre Natur des Menschen ist jenseits dessen, was wir uns mit unserem beschränkten Bewusstsein vorstellen und was wir verstehen können, um jedoch das Selbst in uns zu erkennen, ist es hilfreich eine grobe Richtung zur Orientierung zu haben, und so gibt die Vedantaphilosophie dazu einige Aussagen. Das Selbst ist der “Unberührte Beobachter – Sakshi Bhav”, und er ist “Sat Chid Ananda – Sein, Bewusstsein und Glückseeligkeit”. Aber das sind nur Worte, die niemals ausdrücken können was jenseits aller Formen und Eigenschaften liegt.
Man sagt der Weg zur Befreiung erfolgt in 4 Schritten:
- Hören
- Denken
- Meditieren
- Verwirklichen
Und so ist die Praxis der Meditation ein wichtiger Schritt um zu verwirklichen.
Hier eine kurze Übersetzung der Begriffe:
- Sakshi – Zeuge, Beobachter
- Bhava – Gefühl, Einstellung
- Sat – Sein, Wahrheit
- Chid – Bewusstsein, Wissen
- Ananda – Glückseligkeit, Wonne
In dieser Meditation stelle ich die beiden Begriffe vor, die du dann in der Meditation vertiefen kannst.
Beschreibung der Meditation “Sakshi Bhav & Sat Chit Ananda”
Die Einleitung in die Sakshi Bhav Technik werden wir zuerst machen. Dann werden wir einen Moment Stille haben und dann üben wir Satchidananda Svarupoham. Ich werde noch einmal diese Grundlage, die Beschreibung des Selbst erläutern, nachdem wir eine Viertelstunde meditiert haben, so dass wir uns in der tiefen Meditation nochmal bewusst machen: ‘Was ist das Selbst?’ und uns die Frage stellen: ‘Wer bin ich?’ Und so womöglich zu einer tieferen Erfahrung kommen und uns innerlich von all dem lösen, was nicht das Selbst ist. Die wichtigste Technik im Vedanta schließlich ist Viveka, die Unterscheidungskraft. Dass wir lernen zu unterscheiden, was ist das Selbst und was ist nicht das Selbst und uns innerlich von allem lösen, was nicht das Selbst ist. Nicht das Selbst ist die Außenwelt, alles ,was ich sehe, höre, fühle, schmecke. Aber nicht das Selbst sind auch die Gedanken, die Gefühle, die Empfindungen. Wir sind normalerweise identifiziert damit. Die wichtigste Technik im Vedanta ist Viveka. Die Unterscheidung zwischen dem, was wirklich ist und und dem, was nicht wirklich ist; zwischen dem, was das Selbst ist und was nicht das Selbst ist. Dann können wir uns immer mehr lösen von dem, was nicht das Selbst ist, um irgendwann zu erfahren, was das Selbst ist.
und hier noch einige Erläuterungen dazu, zunächst Audio, dann schriftlich:
Sakshi Bhav und Sat Chit Ananda Bedeutung
Wie ihr wisst, ist die Vedanta-Philosophie uralt. Sie ist vor etwa 1200 Jahren von Adi Shankaracharya noch einmal formuliert, strukturiert und zusammengefasst worden. Shankara hat verschiedene Schriften geschrieben, in denen er noch einmal die Grundlagen der Vedanta-Philosophie erläutert hat und dabei auch sehr in die Tiefe gegangen ist.
Die Idee der Vedanta-Philosophie ist erst einmal, die Welt aus einer absoluten Sicht zu beschreiben. Ein Mensch, der selbstverwirklicht ist, der die Erleuchtung erreicht hat, hat ein Bewusstsein, das wir uns mit unserem beschränkten Alltagsbewusstsein nicht vorstellen können. Er ist mit seinem Geist, mit seinem Bewusstsein, in jenseitige Ebenen eingegangen, die sich unserer Vorstellung erst einmal nicht erschließen. Er hat die Transzendenz erreicht. Wir kommen mit unserem normalen Bewusstsein bis zu einer gewissen Grenze. Wenn jemand erwacht, erleuchtet oder selbstverwirklicht ist, hat er diese Grenzen überschritten und erreicht eine Sphäre, die sich unserem Verstand, unserer Vorstellung entzieht. Dieser Bewusstseinszustand, in dem diese Menschen sind, ist kaum mit Worten zu beschreiben.
Das aber versucht die Vedanta-Philosophie. Die Vedanta-Philosophie versucht die Welt aus einer absoluten Sicht zu beschreiben, obwohl das eigentlich nicht geht. Und so gibt es ein paar Grundlagen, die für uns erst einmal sehr schwierig aufzunehmen sind, die aber irgendwann Sinn machen. Wenn man sich damit mehr beschäftigt, geht es auch darum, dass man sich über das intellektuelle Beschäftigen mit der Vedanta-Philosophie bereits öffnet für höheres Wissen, für eine Aufnahme von höherer Erkenntnis. Und so ist das Beschäftigen mit der Vedanta-Philosophie bereits eine spirituelle Praxis. Indem wir uns mit diesen Philosophien beschäftigen, öffnen wir unseren Geist für transzendentes Wissen, für Erkenntnisse, die jenseits von dem sind, was wir uns mit unserer Vorstellung, mit unserem Verstand, ausdenken können.
Und so ist es sehr wertvoll für einen spirituell Suchenden, für jemanden, der auf dem Weg der Selbsterkenntnis ist, sich auch mit der Vedanta-Philosophie auseinanderzusetzen und diese erst einmal sehr komplex scheinenden Grundlagen versuchen zu durchdringen und soweit es geht zu verstehen, um den Geist für andere Möglichkeiten zu öffnen.
Eine der wichtigsten Grundlagen der Vedanta-Philosophie ist das Prinzip von Brahman. Wir haben vorhin schon von Brahman, dem alldurchdringenden kosmischen Bewusstsein gehört. Brahman ist in etwa das, was wir in unserem Kulturkreis als Gott bezeichnen würden. Brahman ist jenseits von dem, was wir uns vorstellen können. Es durchdringt das ganze Universum, es ist die Grundlage des Universums. Durch intensivste Praxis gibt es die Möglichkeit, mit dem Bewusstsein und seiner Transzendierung zu Brahman durchzudringen und dieses alldurchdringende kosmische Bewusstsein in uns selbst zu entfalten.
Brahman, das alldurchdringende kosmische Bewusstsein, ist ein Begriff, der bezogen ist auf das Universum als Ganzes oder auf die Welt als Ganze. Brahman in Bezug auf das Individuum wird als Atman bezeichnet. Das wahre Selbst des Menschen ist dasselbe wie Atman, nur in Bezug auf das Individuum. Man kann also sagen, die Vedanta-Philosophie sagt, dass Gott und das Selbst des Individuums identisch sind.
Und so wollen wir heute Abend über die Frage ‘Was ist das Selbst?’ meditieren und zunächst einmal über die Idee, das Selbst ist identisch mit Gott. Jetzt ist natürlich die Frage, was man sich unter Gott vorstellt. Jeder Mensch hat erst einmal andere Vorstellungen von dem Begriff Gott. Brahman ist jenseits von allen Vorstellungen. In der Vedanta-Philosophie sagen wir, wenn Gott Eigenschaften hat, d.h. wenn wir uns Gott vorstellen, dann hat er Eigenschaften. Dann sprechen wir von Ishvara. Ishvara ist Brahman mit Eigenschaften. Brahman ist also das Göttliche, das ohne Eigenschaften ist, das wir nicht mit Worten greifen können, das wir uns nicht vorstellen können, das wir mit unserem Verstand, mit unseren Vorstellungen nicht erfassen können. Ishvara ist Gott mit Eigenschaften. Immer wenn wir uns Gott vorstellen, dann ist es nur eine Vorstellung, die eine bestimmte Form hat, eine bestimmte Eigenschaft, und damit ist es Ishvara und nicht Brahman selbst. Und Atman, das Selbst des Menschen, gilt es letztlich zu erkennen auf dem spirituellen Weg. Das Ziel ist ja die Selbstverwirklichung oder die Selbsterkenntnis.
Aus Sicht des Vedanta ist es eigentlich ein Klacks, die Selbstverwirklichung zu erreichen. So sagen große Meister, es bedarf eigentlich keiner Anstrengung, keiner Übung, keines Systems, keines Weges, sondern es geht um das Sein. Es geht nur darum, das unmittelbare, direkte Sein zu erfahren. Und so gibt es einige große Meister, die das erkannt und verwirklicht haben. Aber da es sehr schwierig ist, aus unserem Alltagsbewusstsein, aus unseren Programmierungen, aus unseren Mustern, aus unserem niedrigen Energieniveau herauszutreten und einfach in das direkte Sein zu treten, brauchen wir Übungen, brauchen wir ein Sadhana-Programm, brauchen wir Meditation, Asanas und so weiter. Aber aus Sicht des Vedanta geht es eigentlich nur darum, das direkte Sein zu erfahren und das Selbst einfach im Hier und Jetzt zu verwirklichen. Und darauf spielt auch an, was ich hier unten aufgeschrieben habe: Satchidananda Swarupoham. Die wahre Natur des Menschen ist Sein, Bewusstsein und Glückseligkeit. Das ist eine Beschreibung von Atman. Genauso wie Brahman ohne Eigenschaften und nicht zu beschreiben ist, ist auch das Selbst etwas, das wir gar nicht beschreiben können. Es ist ein Bewusstseinszustand, in den wir hineingeraten können durch intensive Praxis oder einfach durch das Umschalten auf das direkte Erfahren. Dieser Bewusstseinszustand ist nicht mit Worten zu beschreiben.
Sat Chit Ananda
Diese drei Begriffe Sat – Chid – Ananada sind eigentlich ein Versuch, dieses Phänomen des Selbst oder des Atman in kurze Worte zusammenzufassen. Sat heißt Sein oder die Existenz, Chid heißt Wissen oder Weisheit oder Bewusstsein und Ananda heißt Glückseligkeit oder Wonne oder manchmal liest man auch Liebe. Sat Chit Ananda ist Sein, Bewusstsein und Glückseligkeit. Wenn ich also die Erfahrung mache, dass ich mein Selbst erkenne und dass ich das Selbst entfalte und dieses Selbst wirklich zur Geltung kommt, dann kann ich es mit den drei Worten beschreiben Sein – ‘Ich bin’, Bewusstsein – ‘Ich bin mir dessen bewusst’ und Ananda – ‘Das führt mich zur Glückseligkeit’ oder: ‘Das ist ein Gefühl der absoluten Wonne’. Wenn ich alles andere loslasse, die Identifikation mit der Welt, die Identifikation mit den Gefühlen, den Gedanken und all den Programmen, die da ablaufen, wenn ich das alles loslasse und das unmittelbare Selbst erfahre, dann bin ich Satchidananda, Sein – Bewusstsein – Glückseligkeit. Und zu diesem Zustand wollen wir letztlich kommen. Es ist die Natur des Menschen, diesen Zustand zu erfahren. Wir müssen uns dafür nicht verändern, sondern im Gegenteil, wir müssen uns von allen Veränderungen, von allen falschen Programmierungen, von allen falschen Identifikationen, von all den falschen Vorstellungen lösen und einfach nur das sein, was wir in Wirklichkeit sind. Und in Wirklichkeit sind wir Bewusstsein, das existiert und absolut glückselig ist. Das ist alles. So sagt es die Vedanta-Philosophie.
Es gibt zwei sehr bekannte Vedanta-Lehrer. Ramana Maharshi z.B. ist einer der ganz großen Vedanta-Meister des letzten Jahrhunderts. Er sagt, als einzige spirituelle Praxis brauchst du dir eigentlich immer wieder nur die Frage zu stellen ‘Wer bin ich?’. Und diese Frage nicht intellektuell zu beantworten: Ich bin Narada, ich bin Koch, ich bin Yogalehrer, ich bin Fahrradfahrer, was auch immer. Es gilt nicht diese Frage intellektuell zu beantworten, sondern diese Frage in tiefer Meditation zu einer intuitiven Lösung kommen zu lassen. Also wirklich erfahren: ‘Wer bin ich?’ Und so sagt Ramana Maharshi, das ist die einzige Praxis, die er empfiehlt, die einen wirklich zur Selbsterkenntnis führen wird.
Ein anderer berühmter Vedanta-Meister, Nisargadatta oder Nisargadatta Maharaj aus Südindien, reduziert letztlich die ganze spirituelle Praxis auf eine einzige kurze Formel, und die nennt sich: ‘Ich bin. Wir brauchen eigentlich nur immer in diesem Bewusstsein von ‘Ich bin’ zu sein. Das können wir uns geistig wiederholen, wir können das fühlen. Und wenn wir alles andere ausschließen aus unserem Bewusstsein, kommen wir irgendwann dahin, dass wir dieses ‘Ich bin’, das reine Sein, tatsächlich erfahren.
Das sind zwei Beispiele für Meister, die die Vedanta-Philosophie als ein sehr einfaches Konzept vermitteln. Der eine sagt, du brauchst nicht so sehr in in die Tiefe zu gehen, du brauchst dir nur die Frage zu stellen ‘Wer bin ich?’. Der andere sagt, du brauchst nichts tun, als immer, 24 Stunden am Tag, im Bewusstsein von ‘Ich bin’ zu sein.
Aber es gibt verschiedene Strömungen in der Vedanta-Philosophie. In unserer Tradition, in der Tradition von Sivananda, ist es so, dass wir sehr, sehr viele Werkzeuge an die Hand bekommen. Nicht nur im Bereich des Vedanta, sondern auch ,wie ihr wisst, im Yoga und Raja Yoga usw. Aber wir können uns immer dessen bewusst sein, dass all die Übungen, die wir machen, eigentlich nur dahin führen sollen, dass wir unser Selbst erkennen. Und das Selbst erkennen wir letztlich nur – und das ist meine Überzeugung – ohne Anstrengung, durch das reine Sein. Es ist auch wichtig, dass wir uns anstrengen in der Yogapraxis, dass wir Disziplin haben, dass wir meditieren, dass wir Achtsamkeit üben, dass wir beten, dass wir uns für Gott öffnen, dass wir Rituale machen, usw. Aber um das Selbst zu kennen, glaube ich, müssen wir nur loslassen, unser Bewusstsein öffnen und uns ganz in der Gegenwart fallen lassen und in den Fluss der Zeit hineinkommen.
Sakshi Bhav
Zwei Mittel wollte ich heute Abend noch vermitteln, das eine ist Sakshi Bhav, zu Deutsch ‘der unberührte Zeuge’ oder ‘der unbeteiligte Beobachter’. Es ist eine Vedanta-Technik, bei der wir uns innerlich zurückziehen von all den Erfahrungen, die wir in uns haben und so lernen, alles, was passiert, mit etwas Abstand zu beobachten. Letztlich geht es darum, eine neutrale Sicht auf alles zu bekommen. Die Gedanken, die in uns ablaufen, die Gefühle, die hochkommen, aber auch die Sinneseindrücke, die wir haben, das alles wollen wir mit ein wenig Abstand beobachten und so immer mehr zu einer inneren Neutralität kommen und alles, was kommt, gleichmütig betrachten. Das ist letztlich das, um was es bei Sakshi Bhav geht. Und wenn wir das öfter in der Meditation machen, uns von den Erfahrungen zurückziehen, dann überträgt sich das auf den Alltag, dann werden wir gleichmütiger, also nicht gleichgültiger, sondern gleichmütiger gegenüber den Erfahrungen, die wir machen, und können alles etwas gelöster mit Abstand sehen und nähern uns immer mehr unserem wahrem Selbst. Das wahre Selbst ist unberührt von alle den Erfahrungen, die wir machen. Das wahre Selbst ist ewig und unveränderlich.
Hari Om Tat Sat.