umfassender Artikel über das korrekte Üben und Anleiten der Wechselatmung.
Wechselatmung: Fehler bei der Ansage
Das Unterrichten einer Yogastunde erfordert ein paar wesentliche Kenntnisse die sich der Yogalehrer aneignen sollte. Wenn bereits die Basics nicht korrekt vermittelt werden, ist es für den Teilnehmer schwierig nach innen zu gehen. Spirituelle Erfahrungen zu machen und die Yogapraxis entsprechend zu genießen.
Neben der Anleitung einer hilfreichen Tiefenentspannung und des Sonnengrußes im Flow der Praxis stellen die Atemübungen eine große Herausforderung dar, insbesondere die Wechselatmung. Des öfteren habe ich erlebt wie nervig es ist, wenn man sich als Teilnehmer in einer Yogastunde befindet, und der Lehrer grobe Fehler beim Anleiten der Wechselatmung macht. Dabei sind wohl die häufigsten Fehler der Ansagen:
- Das Verwenden eines falschen oder gar keines Rhythmus
- Das Verwechseln von Links und Rechts
Beides resultiert aus dem sturen Verweigern oder dem fehlerhaften Benutzen einer Uhr zum Anleiten der Wechselatmung. Das Resultat sind keine oder unerwünschte (Neben-) Wirkungen der Übung und frustrierte Teilnehmer.
Anuloma Viloma Timer
Da ich in meiner aktuellen Yogalehrer Ausbildungsgruppe mal wieder festgestellt habe, wie schwierig die korrekte Verwendung einer Uhr für die Ansagen zur Wechselatmung zunächst zu verstehen und dann umzusetzen ist, habe ich mich entschieden mit diesem Artikel nochmals genau zu erläutern, wie man mit Hilfe einer Uhr den richtigen Rhythmus für die Wechselatmung ansagen kann. Natürlich gibt es heutzutage auch andere technische Mittel um die Wechselatmung korrekt anzusagen. Man kann auch einen “Anuloma Viloma Timer” nutzen oder womöglich eine entsprechende App. Sinnvoll ist es, ohne spezielles Werkzeug auszukommen, also eine handelsübliche analoge Uhr zu verwenden.
Anuloma Viloma – Wirkungen der Wechselatmung
Swami Vivekananda schreibt in seinem Buch „Raja Yoga“, dass die Wechselatmung die wichtigste Übung aus dem Hatha Yoga ist um zur Spirituellen Befreiung zu kommen. Er sagt sogar es sei die einzige Übung die einem wirklich hilft zu Moksha zu kommen.
Gut… die Aussage sei mal dahingestellt, ich glaube, dass es insgesamt wichtig ist Körperbewusstsein zu entwickeln und da ist Hatha Yoga sehr effektiv, aber Swami Vivekananda zielte mit seiner Aussage sicherlich auf die tiefen energetischen Wirkungen der Wechselatmung hin.
Verschiedene Wirkungen werden der Wechselatmung nachgesagt:
- man lernt den Atem zu kontrollieren, insbesondere das Ausatmen
- die Lungenkapazität wird erhöht
- das Herz-Kreislaufsystem wird trainiert
- sie beugt Erkältungen, Allergien, Asthma und Heuschnupfen vor
- sie gleicht Energien aus und öffnet alle Energiebahnen nach und nach
- fördert die Konzentration
- stärkt innere Ruhe und Kraft
Wechselatmung gleicht polare innere Kräfte aus
Das korrekte Praktizieren der Wechselatmung hilft dem Übenden die beiden gegensätzlichen Energien in sich zur Harmonie zu bringen, welches die wesentliche Voraussetzung für einen Aufstieg der Energie durch den Hauptenergiekanal in der Wirbelsäule ist.
Diese beiden polaren feinstofflichen Energien können verschieden bezeichnet werden:
- Chandra & Surya
- Ha & Tha
- Mond & Sonne
- Weiblich & Männlich
- Yin & Yang
- Vagus & Sympathikus
- Warm & Kalt
- Emotion & Vernunft
- Passiv & Aktiv
- Aufnehmend & Abgebend
Nur wenn diese beiden Ausprägungen der Energie in uns zum Ausgleich gebracht werden öffnet sich die „Sushumna“, der feinstoffliche Energiekanal in der Mitte der Wirbelsäule und wenn die Energie in der Wirbelsäule aufsteigt, können sich die einzelnen Chakras entfalten, und die entsprechenden Bewusstseinsthemen in harmonischer Weise geklärt werden. Um diesen Hauptenergiekanal herum schlängeln sich die beiden Kanäle „Ida“ und „Pingala“ welche mit den genannten polaren Kräften korrespondieren, Ida kanalisiert dabei die weibliche Chandra-Energie und Pingala die männliche Surya-Energie. Das untere Ende dieser beiden Energiekanäle endet jeweils im Wurzelchakra „Muladhara“, wo auch die Sushumna ihren Aufstieg beginnt. Das obere Ende der beiden Energien befindet sich an den Nasenlöchern, Links Ida und rechts Pingala. Auch stehen diese Energiebahnen und Energiequalitäten in Verbindung mit den Gehirnhemisphären. Wenn wir also die Wechselatmung üben, können wir mit Hilfe der Nasenlöcher Einfluss auf die drei wichtigsten Energiebahnen nehmen, kommen Ida und Pingala in Balance öffnet sich nach und nach die Sushumna und wir entfalten dadurch unser volles energetisches Potential. Um diesen Effekt zu erzielen ist es unabdingbar das wechselseitige Atmen im korrekten Modus zu üben, und dieses möchte ich unten nochmals erläutern. Aber zunächst:
Fachbegriffe zur Wechselatmung:
- Anuloma Viloma, wörtlich “mit und gegen den Strich”- deutet auf Ausgleich hin.
- Nadi Shodhana, wörtlich “Reinigung der Nadis”, enthält neben Anuloma Viloma noch die Bandhas und die Samanu-Konzentration.
- Chinmudra, Daumen und Zeigefinger berühren sich, Hand liegt auf dem Oberschenkel.
- Vishnumudra, Zeige- und Mittelfinger eingeklappt sodaß Ringfinger und Daumen für das Schliessen der Nasenlöcher zur Verfügung stehen.
- Bandhas, Energieverschlüsse durch Muskelkontraktionen.
- Mulabandha, das nach innen und oben ziehen der Beckenboden Muskulatur.
- Uddhyana Bandha, Einziehen der Bauchdecke nach innen und oben.
- Jalandhara Bandha, Brustkorb gewölbt wird das Kinn zur Brust gezogen.
- Mahabandha, alle drei Bandhas zusammen
Üben der Wechselatmung
Zunächst Mal ist es wichtig die drei Phasen der Atmung im richtigen Verhältnis zu üben um die optimalen Wirkungen zu erzielen. Das Verhältnis ist: 1:4:2, also
- Eine Zeiteinheit einatmen
- Vier Zeiteinheiten anhalten
- Zwei Zeiteinheiten ausatmen
Wenn man für sich selbst die Wechselatmung übt, kann man beispielsweise beim Einatmen im Geiste „Om Namah Shivaya“ sprechen, dieses dann beim Anhalten vier Mal wiederholen und beim Ausatmen schließlich wieder zwei Mal. Bei einer normalen Yogastunde ohne Fokus auf fortgeschrittenem Pranayama wird der benannte Rhythmus normalerweise auf 4:16:8 Sekunden geübt. Wenn man einige Zeit lang die Übung gemacht hat, also vielleicht so in etwa 50 Mal, bekommt man ein Gefühl für den entsprechenden Intervall und man kann üben ohne besonders auf die Zeit zu achten, jedoch sollte man niemals (!) die Wechselatmung anleiten ohne auf die Zeit zu achten! Im Grunde atmet man zügig ein, hält die Luft angenehm an und atmet dann wieder ruhig aus. Entgegen des subjektiven Empfindens mancher Yogalehrer bekommt man allerdings niemals ein genaues Gefühl für diesen Rhythmus beim Ansagen der Wechselatmung in einer Yogastunde, zumal man vor allem in der relativ langen Anhaltephase noch spezielle Ansagen machen sollte. Selbst Yogalehrer die seit 30 Jahren immer wieder die Wechselatmung ansagen, benutzen dafür eine Uhr, weil sie genau wissen, dass der richtige Rhythmus entscheidend für die optimale Wirkung ist.
Beispielhafte Anleitung Wechselatmung in Audio
Hier eine beispielhafte Einheit meiner Ansage zur Wechselatmung mit knapper Einleitung etwa 30 Sekunden vor dem Einatmen und 6 Runden so wie unten beschrieben.
genaue Ansagen der Wechselatmung
Zunächst muss ich nun für diesen Artikel yogisches Geheimwissen offenbaren, welches für den unwissenden womöglich überraschend sein mag:
- Teilnehmer werden bei der Ansage von Wechselatmung mit Uhr jedes Mal um 2 Sekunden betrogen!
Woran das liegt? Ganz einfach! Der übliche Intervall zum Üben der Wechselatmung ist 4:16:8 und 4+16+8 ist nun mal =28, jedoch besteht die Hälfte eines Ziffernblattes entsprechend einer halben Minute =30, da sind also 2 Sekunden Diskrepanz. Kein Problem, denn der Rhythmus von 1:4:2 wird dennoch in etwa beibehalten, der Teilnehmer kann ja nicht auf die Millisekunde genau der Anleitung folgen.
Entscheidend für das richtige Ansagen der Wechselatmung ist ja neben dem Rhythmus auch die Benennung der jeweils richtigen Seite, denn der Teilnehmer soll so wenig wie möglich in der Yogastunde nachdenken oder gar zweifeln. Und so nutzt man die Uhr auch um das entsprechende Nasenloch nicht zu verwechseln, dabei entspricht eine Runde Wechselatmung einer Minute auf der Uhr.
Ansagen zur Wechselatmung
Die Ansage der Wechselatmung funktioniert wie folgt:
- Vor der eigentlichen Übung sagt man Körperhaltung und Mudras an
- Genau auf 12 Uhr beginnt man mit links Einatmen, ca. 4 Sekunden
- 4 Sekunden nach wird dann der Atem angehalten, etwa 16 Sekunden
- 22 Sekunden nach wird rechts ausgeatmet, ca. 8 Sekunden
- 30 Sekunden nach wird dann rechts wieder eingeatmet, etwa 4 Sekunden
- 34 Sekunden nach wird dann der Atem angehalten, etwa 16 Sekunden
- 52 Sekunden nach wird links wieder ausgeatmet, ca. 8 Sekunden
- Die neue Runde beginnt wieder exakt auf 12 Uhr mit dem Einatmen links
- Am Ende der Übung wird um 52 Sekunden nach links ausgeatmet
- Anschliessend Arm senken und Nachspüren
Natürlich kann niemand 100% genau um “22 Sekunden nach” ausatmen und wir könen beim Ansagen auch kein sekundengenaues Signal geben, daher kann man auch schon um 20 nach bzw 10 vor beginnen die Ansage zum Ausatmen einzuleiten, wenn man z.B. sagt:
“Jetzt Linkes Nasenloch öffnen, die Bandhas lösen und…”
…sind ja bereits ca. 2 Sekunden vergangen, betont man das “und!”, liegt man etwa genau bei 22 Sekunden nach.
Grafik zur Wechselatmung
Deutlicher wird diese Vorgehensweise hoffentlich mit meiner ausgeklügelten Grafik:
Natürlich kann man die Uhr auch auf andere Weise für die Ansage nutzen, beispielsweise indem man bereits um 4 Sekunden vor 12 beginnt mit dem Einatmen, dann ist sowohl das Einatmen als auch das Ausatmen auf der jeweiligen Seite der Uhr, jedoch hat diese von mir vorgeschlagene Art der Ansage zur Wechselatmung zwei wesentliche Vorteile:
- Man beginnt exakt auf 12 Uhr, das kann man sich gut merken und man kann sich leicht auf die Ansagen vor der Übung konzentrieren, also z.B. Körperhaltung, Mudras, Bandhas etc.
- Da man vor allem während der Anhaltephase konkrete Ansagen zur inneren Konzentration macht, vergisst man allzu leicht auf welcher Seite dann ausgeatmet wird, bei dieser Nutzung der Uhr ist der Sekundenzeiger immer auf der entsprechenden Seite, also um 22 Sekunden nach ist er Rechts und um 52 Sekunden nach ist er Links.
Und übrigens:
- Man muss nicht immer warten bis der Sekundenzeiger auf 12 Uhr steht, sondern man kann die Uhr auch um 90°, 180° oder 270° wenden, also um 3, 6 oder 9 Uhr beginnen, dazu braucht man nur die Uhr entsprechend drehen und umzudenken. Auf diese Weise hat man keine doofen Wartezeiten bis der Sekundenzeiger endlich auf 12 Uhr steht.
Am Anfang scheint es recht kompliziert zu sein die Uhr für die Wechelatmung einzusetzen, aber wenn man das Prinzip verstanden erst hat und es einige Male durchgeführt hat, wird es kinderleicht und man kann sich voll konzentrieren auf die weiteren Ansagen, die ich hier nochmals erläutern möchte.
weitere Ansagen zur Wechselatmung
Im Grunde genommen nutze ich bei der Ansage zur Wechselatmung jedes Mal die gleichen Worte, natürlich mit kleinen Veränderungen. Beim Ein- und Ausatmen sage ich folgendes:
- „jetzt links/rechts zügig einatmen zu etwa drei Viertel!“
- „jetzt links/rechts ruhig und gleichmäßig den Atem ausströmen lassen!“
Während der Anhaltephase hat man ja dann 16 Sekunden Zeit um etwas zu sagen, das ist relativ viel Zeit und man kann da einiges an Hinweisen geben. Zunächst mal sollte man meiner Meinung nach ab Mittelstufen Niveau die Übung immer mit Mulabandha durchführen, und da ist es natürlich wichtig dieses auch mit anzusagen. Weitere Bandhas werden in der Regel nicht angesagt, das gehört ins fortgeschrittene Pranayama, siehe unten. In den jeweiligen Runden setze ich mit meinen Ansagen unterschiedliche Schwerpunkte die ich jeweils rechts und links mache, normalerweise mache ich 6 Runden Wechselatmung und jeweils folgende Ansagen, die ich dir auch empfehlen kann:
- Körperliche Ansagen wie z.B. „Sitze aufrecht, Brustkorb geöffnet, Schultern locker, Ellbogen nah am Körper, Gesichtszüge entspannt!“
- Beruhigende Ansagen & Mulabandha wie z.B. „Übe möglichst entspannt und ohne Druck, setze beim Anhalten immer Mulabandha!“
- Haptische Ansagen wie z.B. „Spüre die Verbindung von Mulabandha und Trikuti!“ oder „Fühle wie die Energie in der Wirbelsäule aufsteigt!“
- Energetische/ Konzentrations Ansagen wie z.B. „Konzentriere dich voll und ganz auf Trikuti, den Punkt zwischen den Augenbrauen!“
- Zügige Wiederholung des Gayatri Mantra, sollte man vorher üben um es möglichst korrekt und exakt 16 Sekunden zu rezitieren.
- Stille, wobei ich nach dem Einatmen immer kurz „Stille!“ sage.
Man solle sich aber zunächst auf den korrekten Rhythmus konzentrieren, der ist viel wichtiger als die schönen Formulierungen in der Anhaltephase.
Ansagen der Wechselatmung mit anderen Rhytmen
Im Fortgeschrittenen Pranayama wird wie bereits angedeutet die Wechselatmung mit Mahabandha geübt und es werden darüber hinaus in der Anhaltephase ausgeklügelte Konzentrationsübungen gemacht. Da die Zeit bei 4:16:8 dazu recht knapp ist und der Teilnehmer auch entsprechend geübt sein sollte, wird der Rhythmus verlangsamt auf 5:20:10 oder noch langsamer.
Bei Ansagen zur Wechselatmung mit 5:20:10 habe ich mit folgender Methode gute Erfahrungen gemacht:
- Hierzu braucht man eine Uhr die man bequem bewegen und drehen kann, ausserdem eine Ablage für die benötigten Unterlagen der komplexen Ansagen zur Samanukonzentration. Man Atmet an beliebigem Moment des Ziffernblattes der durch 5 teilbar ist links ein. Dann gibt man die Uhr in die rechte Hand und hält den Daumen an der Stelle die genau 20 Sekunden nach dem Einatmen liegt, jetzt kann man sich auf die Ansage konzentrieren bis der Sekundenzeiger an der angezeigten Stelle (Daumen!) angekommen ist, entsprechend der Hand in der sich der Wecker befindet wird dann rechts ausgeatmet, man schaut auf die Uhr und nach 10 Sekunden wird wieder eingeatmet. Es wird der Wecker dann in die Linke Hand gegeben und der Daumen wieder auf die Stelle gelegt die nach 20 Sekunden erreicht ist, dann wieder ausatmen und so weiter. Durch das Wechseln der Hand weiß man immer nach der Ansage in der Anhaltephase auf welcher Seite ausgeatmet wird.
Ich hoffe ich konnte dir mit diesem Artikel helfen die Ansagen zur Wechselatmung zu optimieren und damit die (Yoga-) Welt zu verbessern.
Wer ausgeglichen in sich ruht kann Liebe walten lassen, Wechselatmung hilft dabei!