Heute kommt eine Frage zu Yoga und Sex von einem Leser, der gerne anonym bleiben möchte. Es geht um die Sexualität des Menschen und wie man diesen Lebensbereich in den spirituellen Weg integrieren kann.
In meiner Rubrik „Q&A“ gibt es die Möglichkeit Fragen zu Yoga, Meditation und Advaita zu stellen. Du kannst einfach eine Mail schreiben (narada@vedanta-yoga.de) oder dich bei facebook melden und deine Frage loswerden. In Form eines Artikels bekommst du dann einige Zeit später eine Antwort.
Frage zu Yoga und Sex
„Lieber Narada, heute habe ich eine Frage zur Sexualität des Menschen. Ich denke, dass dieses Thema von enormer Wichtigkeit für alle Menschen ist. Und trotzdem wird es im Yoga- und Vedanta-Bereich nur sehr spärlich behandelt. Immer wieder hört man, dass Priester, Mönche, Erzieher, Betreuer Ihre Untergebenen bzw. Schutzbefohlenen sexuell nötigen und sogar sexuell missbrauchen. Ganz besonders schlimm ist das natürlich, wenn Kinder die Opfer sind! Und so etwas geschieht regelmäßig, immer wieder, in allen Religionen, in allen Gesellschaftsschichten! Was läuft da falsch? Hat Gott vielleicht den Sexualtrieb des Menschen zu stark angelegt? Eigentlich kann das nicht sein, denn Gott macht keine Fehler! Aber, zumindest ich, kann mich diesem Eindruck manchmal nicht erwehren. Und zweitens: In unserer westlichen Kultur gilt Sexualität als unrein. Warum haben wir Menschen solche Probleme mit einem völlig natürlichen, normalen und gottgegebenen Lebensprozess? Sind Sexualität und das Göttliche wirklich so unvereinbar? Darf man bei sexuellen Handlungen an Gott denken, Gott danken oder sogar beten?“
Meine Antwort zu Yoga und Sex
Hallo lieber Anonymus! (Name ist dem Redakteur bekannt, ist aber auch egal)
Danke dir für deine interessante Frage zu Yoga und Sex, es ist wahrlich ein wichtiges Thema, welches ich hier nun ein wenig ausführen möchte.
Zwei Wege, Yoga und Sex zu vereinen
Zunächst mal gibt es in der traditionellen indischen Spiritualität wie dem Yoga- und Vedanta-Weg grob gesagt zwei Wege:
- den Weg der Entsagung
- den Weg der sattwigen Bedürfnisbefriedung (sattwig bedeutet “rein, klar, göttlich”)
Also entweder du lebst deine Sexualität auf eine gesunde Weise aus, oder du hast einen klaren inneren Ruf, um dem zu entsagen. Die Sexualität gesund auszuleben bedeutet vor allem, mit diesem Thema möglichst klar umzugehen und sich nicht in Promiskuitäten zu verlieren. Jede sexuelle Begegnung ist ein tief-schürfender energetischer Prozess, bei dem sich subtile Energien verbinden und fein-stoffliche Informationsfelder ausgetauscht werden. Wir stehen mit jedem Sexual-Partner über viele Jahre im unbewussten und energetischen Austausch, je mehr solcher Energie-Verbindungen wir aufbauen, desto mehr verstreut sich unsere Energie. Entsprechend wird es schwieriger sich zu sammeln und die irdische Ebene zu transzendieren. Wenn wir sexuelle Begegnungen bewusst, liebevoll und klar leben, kann es zu einer spirituellen Praxis werden.
Die Begründer des Yoga und Hinduismus waren die alten Rishis, die hauptsächlich Familienväter waren und dementsprechend auch ihre Sexualität lebten. Es gab aber auch schon immer Sadhus, Swamis und Sannyasins die den weltlichen Freuden entsagten, um sich ganz auf Gott auszurichten. Man konnte sich also entscheiden: möchte ich eine Familie gründen und entsprechend meiner Sexualität ausleben, oder möchte ich mich ganz auf Gott ausrichten und darauf verzichten. Ich persönlich glaube, dass ein Entsagen nur dann hilfreich ist, wenn die Entscheidung dazu wirklich aus dem tiefsten Herzen kommt und nicht von außen auferlegt wird. Auch wenn es eine klare Entscheidung gibt den weltlichen Freuden zu entsagen, kann sich das im weiteren Verlauf des Lebens wieder ändern und dann ist es wichtig sich das einzugestehen. (Hier übrigens ein spannendes Interview mit einem ehemaligen Kartäusermönch der über genau diesen Prozess berichtet)
„Yoga hilft einem, länger und besser Sex zu haben. Ich kann das schlecht erklären aber gut vormachen.“ Sting
Entsagung nur aus vollem Herzen möglich!
Wen eine Entscheidung den Weg der Entsagung zu gehen nicht aus dem tiefsten Herzen kommt und man nicht mit entsprechenden Techniken die starke sexuelle Kraft transformiert, wird man krank. Die unterdrückte Energie will irgendwann mit aller Kraft zum Ausdruck kommen und das kann sie dann leider oftmals nur noch auf einem krankhaften Weg. Menschen, die sich über viele Jahre über ihre starken Bedürfnisse hinwegsetzen, entwickeln psychologische Probleme und im schlimmsten Fall werden sie im Denken und Handeln innerlich gezwungen, anderen Leid zuzufügen.
Daher nochmals ganz klar: Entsagung ist nur für sehr reife Menschen geeignet, die einen klaren inneren Auftrag dazu haben! Unterdrückte Sexualität erzeugt massive psychische Probleme. (Hier ein Interview mit einer entsagten Swamini über ihren Prozess ins Zölibat zu gehen)
Sex ist von Gott gewollt 😉
Wie unser Frage-Steller schon sagt: Gott macht keine Fehler.
Also Sexualität ist eine der natürlichsten Aspekte des Lebens. Wenn die sexuelle Kraft im Einklang mit dem Herzen (bzw. dem Gewissen) gelebt wird, dann ist das absolut göttlich. Je mehr eine Kraft (auch Gefühle und Gedanken) unterdrückt wird, desto stärker wird sie. Sexualität zu unterdrücken, führt immer zu Problemen. Die Idee des Zölibates ist eben nicht, die Sexualität zu unterdrücken, sondern auf sie zu verzichten so lange es stimmig ist!
Sexualität ist natürlich und Göttlich, daher steht sie auch in keiner Weise im Widerspruch zum spirituellen Weg. Es ist ganz entscheidend auch die Sexualität in den Weg zu integrieren, denn es ist nach dem Überlebenstrieb die zweitstärkste Kraft in uns. Daher sollte man sogar, um die zweite Frage zu beantworten, Gott auch in sein Bett einladen. Es ist gut, während des Aktes an Gott zu denken und sich auf diese Weise hinzugeben. Man kann sogar seinen Partner als Verkörperung Gottes betrachten und die sexuelle Begegnung auf diese Weise als ein Gebet betrachten. Die sexuelle Begegnung wird in den Lehren des Tantra auch als spirituelle Praxis verstanden, jedoch gehört hierzu eine spirituelle Reife, da der Akt sonst zur reinen Sinnesbefriedigung verkommt. (Hier ein Interview mit einem Tantra-Lehrer über die Methoden und Hintergründe)
Natürlich beinhaltet das Entdecken der eigenen Bedürfnisse auch Formen der Sexualität, die von konservativen Kräften nicht gerne gesehen werden. Ich halte es für sehr wichtig, dass man eben auch z.B. Homosexualität oder Polyamorie ausleben kann, natürlich im spirituellen Kontext immer mit Klarheit und Verlässlichkeit.
Unterdrückte Sexualität als Machtinstrument
Ich glaube, dass die Herrscher in den alten Zeiten festgestellt haben, dass Menschen mit unterdrückter Sexualität leichter zu kontrollieren sind, als Menschen, die entspannt mit ihren Trieben umgehen. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich das psychologische Muster der sexuellen Unterdrückung immer mehr verbreitet und verstärkt. Sexualität wurde zu etwas schmutzigen und Menschen haben sich zunehmend für ihre Bedürfnisse geschämt. Das ist tief in der Gesellschaft verankert und unser Zusammenleben ist davon geprägt. Daher ist es wichtig, dass wir unsere sexuelle Befreiung auch als revolutionären Akt verstehen und in die Spiritualität einbinden. Yoga und Sex gehört also zusammen gedacht.
Auch in modernen spirituellen Bewegungen wird das Thema Sexualität nicht immer auf gesunde Weise gelebt. Es gibt einige große Gurus aus dem Yogakontext die z.B. Homosexualität als krankhaft deuten oder unreife weltliche Menschen zur Entsagung bringen. WTF! Auch gibt es Gurus, die sich ganz grober sexueller Vergehen schuldig gemacht und sich an Schüler und Schülerinnen vergangen haben. Aktuell der Fall von Swami Vishnu Devananda, bei ihm wurde bekannt, dass er offenbar in den 80ern mehrere Frauen sexuell missbraucht hat.
Man kann sich fragen, wie so etwas sein kann: Einerseits sind sie glasklar in ihrer Lehre und leben zum Teil Jahrzehnte als Guru und Entsagte, andererseits haben sie ihre grundlegenden Triebe nicht unter Kontrolle. Leider gibt es kaum vollkommene Heilige, die über jeden Fehler erhaben sind, auch ein großer Guru bleibt immer noch ein Mensch. Das Ego stirbt niemals ganz, es verbleibt immer noch ein Rest, der stets wieder erwachsen kann.
Meine Empfehlung: Wenn ihr euch einem Guru hingeben wollt, achtet auf seine (bewusst hier das generische Maskulinum angewandt, Frauen haben es seltener nötig, sich mit ihrer Spiritualität zu exponieren) Demut gegenüber allen Leuten, insbesondere wenn er nicht auf der Bühne steht. Den wahren Charakter eines Menschen entdeckt man darin, wie er mit Menschen umgeht, die nichts für ihn tun können!
Yoga führt zur Freiheit
Yoga hat als erklärtes Ziel die Befreiung, also auch die Freiheit von allen Zwängen und Mustern. Die stärksten Programmierungen haben eine verquere Sexualität als Ursprung, daher müssen wir daran arbeiten unsere Verklemmungen zu überwinden! Yoga und Sex muss zusammen betrachtet werden. Auch der Buddha erkannte in seinem Erleuchtungs-Prozess, dass er nicht zur Freiheit kommen kann, ohne das Thema zu betrachten.
Eines noch: wir gehen im Yoga von einem bewussten Universum aus, auf vielen Dimensionen gibt es unterschiedlichste Arten von Leben. Man sagt, dass viele Seelen darauf warten eine Geburt als Mensch zu bekommen, da man hier die größten Chancen auf Entwicklung hat. Diese Seelen hoffen auf eine Empfängnis und lauern darauf, sich als drittes Element der Vereinigung von Mann und Frau anzuschließen. Es sind also bei jeder sexuellen Begegnung Besucher dabei…