Der Meister Shankara oder auch Ādi Śaṅkarācārya ist sicher einer der ganz großen und wichtigen spirituellen Meister in Indiens langer Geschichte.
Shankara – Urvater des modernen Yoga
Der einflussreiche spirituelle Lehrer lebte im 8. Jahrhundert und definierte die Lehre des Advaita Vedanta, verfasste viele Texte, kommentierte heilige Schriften, pilgerte durch ganz Indien und strukturierte die indische Spiritualität auf neue Weise.
Seine Lebensgeschichte ist beeindruckend, jedoch ist es heute unklar, wie viel davon Tatsachen sind und was sich wohl im Laufe der Zeit als Mythos hinzuentwickelt hat. Entscheidend ist der große Einfluss, den Adi Shankaracharya bis heute auf die indische Geisteswelt hat, seine Texte und Kommentare sind heute noch zugänglich und auch für die Yoga-Geschichte von großer Bedeutung. Es gibt kaum eine Tradition im Hinduismus, die nicht durch Shankara beeinflusst wurde!
Erkenntnis erlangt man durch dauerhaftes Streben, nicht aber durch flatterhaftes Studieren und Vielwisserei.
Adi Shankaracharya
Kurzer Vortrag über Adi Shankaracharya:
Shankara bzw. Adi Shankaracharya lebte (laut Max Müller) wohl etwa 788-820 und sein Name bedeutet:
- Adi– der ursprüngliche, erste
- Shankara– der glückbringende
- Acharya– der Lehrer, Wissende, Kennende
Der Namenszusatz “Adi” wird verwendet um Verwechslungen zu meiden, denn die Nachfolger Shankaras in den 4 großen “Maths” (Klöstern) werden auch mit dem Titel „Shankaracharya“ bezeichnet.
Viele Orte in Indien sollen mit Shankara in Verbindung stehen. So hat er wohl beispielsweise an dieser Stelle in Badrinath (uralter Pilgerort im Himalaya kurz vor Tibet) eine verloren geglaubte Statue nach einer Vison im Fluss geborgen…
Einige von Adi Shankaracharyas Texten von mir analysiert:
- Sadhana Panchakam – 5 Verse spirituellen Praxis
- 9 Topverse aus Aparoksha Anubhuti
- Dakshinamurti Stotram in deutscher Übersetzung
- 7 Top Verse aus Atma Bodha
- Das Nirvana Shatakam – Essenz des Advaita Vedanta
“Shankara belehrte nicht nur seine Schüler die bei ihm waren, sondern er stellte auch sicher, dass die Lehre durch seine Schriften für die Nachwelt erhalten blieb. – Pujya Swami Dayananda Saraswati
Lebensweg und Werk von Shankara
Die Lebenszeit von Adi Shankaracharya wird allgemein auf 788-820 n.Chr. datiert, wobei diese Daten umstritten sind, es lassen sich eben die Daten der indischen Geschichte nicht so genau festlegen, wie wir es aus der Geschichte des Westens kennen.
“Wann er geboren wurde, wo er seine Gegner traf, wie er sie überzeugte und wo er starb, da widersprechen sich die Überlieferungen. Im 19. Jahrhundert setzte Prof. Max Müller, seinerzeit ein berühmter Indologe mit Lehrstuhl in Oxford, aufgrund von Aufzeichnungen des Sringerî-Klosters Shankaras Lebenszeit bei 788-820 n. Chr. an. Dieses Datum findet man immer noch am Häufigsten erwähnt. Allerdings beschreibt Shankara die Stadt Pâtaliputram (im Vedânta-Sûtra-Kommentar) als bestehende Stadt. Sie wurde aber vor 750 vom Ganges überflutet. Hat Shankara also vorher gelebt? Aufgrund des Vergleichs mit Schriften, die er zitiert, glauben manche Gelehrte, dass er etwa Hundert Jahre früher als von Max Müller angenommen gelebt hat.”
Ramakrishna Orden
Die Kindheit von Shankara
Shankara war der Sohn eines sehr frommen Ehepaares die ihr Leben besonders auf Shiva Mahadeva ausgerichtet hatten. Da sie Kinderlos waren, beteten sie zu Shiva mit der Bitte um Nachwuchs. Ihr Bitte wurde gewährt und Shiva wollte den beiden einen Sohn schenken, allerdings stellte er sie in einem Traum vor die Wahl: entweder sie sollten ein Kind bekommen welches alt und gesund werden sollte und ein normales Leben führen würde, oder einen Sohn welcher nur kurz Leben sollte aber ein großer Yogi werden würde. Sie entschieden sich für letzteres weil sie Shiva damit gefallen wollten, man sagt Shankara sei dann eine Inkarnation von Shiva selbst geworden. so ist Shankara auch einer der Namen von Shiva und bedeutet “der Glück bringende”. Geboren wurd Shankara in Kâladi im heutigen Kerala und er hat schon früh durch seine große Intelligenz Aufsehen erregt, man sagt er habe im Alter von 8 Jahren bereits die Veden gemeistert.
Shankara nimmt Sannyas
Da sein Vater bereits früh verstorben war wollte seine Mutter ihm nicht den Segen geben um ein entsagter (Sannyasin) zu werden, sein sehnlichster Wunsch war es ein Wanderasket zu werden und sein Leben ganz der spirituellen Reise zu widmen. Eines Tages nahm er ein Bad im Fluss und wurde von einem Krokodil fast verschluckt, seine Mutter schaute hilflos am Ufer zu. Nun gibt es in Indien die Tradition, dass man kurz vor dem Tod noch dem weltlichen entsagen kann um dann leichter beim Sterbevorgang in höhere Sphären einzugehen. Shankaraji rief seiner Mutter zu, ob er denn jetzt endlich Sannyas nehmen kann, was von ihr bejaht wurde. Noch im Schlund des Krokodiles legte er die Gelübte ab und wurde dann wieder frei gegeben, man sagt es gab eigendlich nie Krokodile in diesem Fluss. Somit konnte er sein Elternhaus verlassen und sich auf die spirituelle Suche machen.
Sein Guru Bhagavadpada
Als er durch Indien wanderte um endlich seinen Guru zu treffen fand er Govinda Bhagavadpada am Ufer des Narmada Flusses. Govinda Bhagavadpada war ein Schüler des großen vedantins Gaudapadacharya (Autor der Mandukya Karika) und er wollte eigendlich keine Schüler annehmen, er fragte jedoch den jungen Shankara:
“Wer bist Du?”
Shankara antwortete mit einem spontanen Gedicht über die Natur des Selbst, dem Nirvana Shatakam- (6 Verse zur Erleuchtung), und wurde daraufhin als Schüler angenommen. Von seinem Guru bekam Er den Auftrag die Lehre des Advaita Vedanta zu verbreiten und zunächst einen Kommentar zum Brahma Sutra zu verfassen.
Unterwegs in ganz Indien
Als Erstes wanderte er nach Varanasi, der Stadt der Gelehrten und Wohnort von Shiva Mahadeva wo er auch seinen ersten wichtigen Schüler Sananda traf. Auf dem Weg zum Vishvanath Tempel traf er auf einen unberührbaren mit 4 Hunden, dieser wurde von Shankaras Schülern gebeten zur Seite zu treten. Die Antwort des Unberührbaren war: “Wen soll ich bewegen, meinen ewigen Atman (das wahre Selbst) oder meinen Körper aus Fleisch bestehend?” Er erkannte ihn dann als Manifestation von Shiva und verneigte sich tief vor Shiva und verfasste daraufhin ein Loblied an Shiva, das “Manisha Panchakam.
Treffen mit Madhana Mishra
Im alten Indien war es üblich, dass Anhänger unterschiedlicher Philosophien miteinander Dispute ausgefochten haben. Der Verlierer eine solchen philosophischen Diskussion, die sich oft über Tage hinziehen konnte und verschiedene Themen als Grundlagen hatte, wurde meist Schüler des Gewinners. Man sagt er habe ständig solcher Dispute gewonnen und wurde dadurch sehr berühmt, es seien über 70 philosophische Richtungen gewesen, die er mit der Logik seines Advaita Vedanta bezwang. Madhana Mishra galt damals als einer der größten Gelehrten und er war Anhänger des Purva Mimamsa, des Traditionellen Ritualismus.
Nach 15 Tagen Debatte gewann der Advaitaguru und wurde von Madhana Misharas Frau herausgefordert, die er als ‘Teil’ seines Gegners auch bezwingen musste. Als diese nun Fragen über Sexualität stellte, wusste sich der Wandermönch nicht zu helfen, der Rest der Geschichte kann in der Audiodatei oben gefunden werden.
Es gibt viele weitere Geschichten über ihn und sein bewegtes Leben, seinen Körper verlassen hat er wohl im Himalaya wo er längere Zeit gelebt und praktiziert hat. In Kedarnath gibt es einen Mahasamadhi Schrein, wo er aufgebahrt sein soll. Die ausführliche Geschichte findet man im Digvijaya, hier sind alle Infos zusammengetragen.
Ein ausführlicher Vortrag über den Jagadguru:
Ashrams in allen Himmelsrichtungen: Mathas
Er hatte 4 wichtige Schüler, die er in 4 Himmelsrichtungen schickte, um je einen Ashram zu gründen. Jedem Schüler gab er einen zentralen Ausspruch seiner Lehre und ein Kapitel der Veden, um das Wissen zu behüten. Tatsächlich bestehen diese 4 Mathas bis heute und wurden über die Jahrhunderte von den Nachfolgern gepflegt. Der jeweilige Vorsitzende des Matha wird “Shankaracharya” genannt, daher nennt man ihn immer “Adi Shankaracharya” (=der ursprüngliche), um Verwechslungen zu vermeiden. Solche Verwechselungen gibt es immer wieder, denn viele der Nachfolger, die einem Matha vorsitzen, schrieben Texte die sie mit ihrem Titel unterschrieben.
Shankaras Schüler | Richtung | Maṭha | Mahāvākya | Veda |
Padmapāda | Osten | Govardhana Pīṭhaṃ | Prajñānam brahmaBewusstsein ist Brahman | Rig Veda |
Sureśvara | Süden | Sringeri Śārada Pīṭhaṃ | Aham brahmāsmiIch bin Brahman | Yajur Veda |
Hastāmalakācārya | Westen | Dvāraka Pīṭhaṃ | TattvamasiDu bist Das | Sama Veda |
Toṭakācārya | Norden | Jyotirmaṭha Pīṭhaṃ | Ayamātmā brahmaDieser Atman ist Brahman | Atharva Veda |
Die Dashanami Swami Orden
Der Advaitaguru reformierte auch die Orden der Sannyasins des Hinduismus, er gründete 10 Orden neu, die sich seitdem auf ihn beziehen. Unter anderem sind es die Orden “Saraswati” dem zB Swami Sivananda Saraswati angehört und der Orden “Giri” dem z.B. Paramhans Yogananda angehört.
Lehre und Schriften
Shankaras umfassende Lehre wird meist mit dem folgenden Satz zusammengefasst.
“Brahma satyaṃ jagat mithyā, jīvo brahmaiva nāparah”
“In drei Sätzen sei es verkündet, was man in 1000 Büchern findet:
Brahman ist wirklich. Die Welt ist Schein. Das Selbst ist nichts als Brahman allein.”
Er kommentierte die drei wichtigsten Texte des Hinduismus, das Prasthanatrayi:
- Bhagavad Gita
- Brama Sutras
- Upanishaden
Er schrieb wichtige Grundlagentexte wie zB
- Atma Bodha
- Tattwa Bodha
- Viveka Chudamani
- Aparoksha Anubhuti
- …
Und er verfasste Hymnen an das Göttliche und Lieder die seine Lehre beschreiben, so zB
- jeweils 5 Verse zu den wichtigsten Göttern seiner Zeit (Shiva, vishnu, Ganesha, Surya, Devi)
- Achytastakam
- Nirvana Shatakam
- Upadeshasahasri
- …
Filme über Shankara
Hier ein Beispiel wie seine Texte in klassischer Weise interpretiert werden: